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CRI berichtet aus Guizhou: 3000 bis 4000 Geschichten
  2015-05-26 10:52:52  cri


(Tuyunguan)

Heute wurden wir, so kam es einem im ersten Augenblick vor, von Zahlen übersäht: Drei Kilometer von der Innenstadt Guiyangs entfernt führt der Pass Tuyunguan entlang. Am Südeingang der Stadt. Berge, tiefer Wald, Wolken und Nebel machen es zu einem versteckten Sanatorium. Sechs Jahre lang war hier sein Versteck unter Leitung des Chinesischen Roten Kreuzes während des Krieges gegen die Japaner. Über 100 Ärzteteams arbeiteten hier. Insgesamt 34 Ärzte kamen aus dem Ausland, 26 davon aus Europa, 16 davon die sogenannten „Spanienärzte", fünf aus Indien und den USA, und drei weitere Ausländer, die in den Lagern arbeiteten oder als Übersetzer. Tuyunguan hatte einen beeindruckend großen Fuhrpark von 200 Fahrzeugen. Davon wurden 150 für medizinische Transporte genutzt und 50 als Krankenwagen. Insgesamt arbeiteten über die Jahre 60.000 Freiwillige in dem Bezirk, 12.000 OPs wurden in sechs Jahren durchgeführt. 8000 Ärzte und anderes Krankenpersonal arbeiten dort.


(Yang Yongxuan)

Yang Yongxuan, die an dem Tisch vor uns sitzt hört nicht mit den Zahlen auf. Sie bedeuten ihr offensichtlich viel. Erst nach und nach erfahren wir, warum. Dahinter steckt die Geschichte ihrer Familie. Ihr Vater kam 1945 als Arzt von Jiangxi nach Tuyunguan. Im tiefsten Winter lebte er dort in einem Bambushaus ohne Heizung, nur mit einem Bett und einem Tisch. Alle Möglichkeiten, zu heizen, wurden auf die Patientenzimmer verwendet. Ärzte und Krankenschwestern lebten ohne Heizung. In 10-Stundenschichten pflegten und behandelten sie Kranke. Ohne Sonntag, ohne Pause. Solang es ging. Es war jedoch nicht alles Quälerei, weiß Yang auch zu berichten: Zwischen den chinesischen und ausländischen und chinesischen Ärzten entwickelte sich eine Freundschaft auf persönlicher und auch auf wissenschaftlicher Ebene. In Treffen, Konferenzen und bei seltenen Ausflügen lernten sie voneinander. Die ausländischen Ärzte mussten sich mit wesentlich weniger zurechtfinden als sie es aus ihrer Heimat gewöhnt waren. Da machte die traditionelle chinesische Medizin auf der einen Seite Eindruck, andererseits machte die Not erfinderisch: Aus Bambus wurden Betten und sogar Operationsbesteck hergestellt. Durch Spenden vor allem von Auslandschinesen in den USA gab es genügend Medizin und Ausrüstung, sogar die Möglichkeit, zu röntgen. Es war das nötigste da, um im Krieg so viele Menschen zu behandeln wie nur möglich. Die Patienten waren Soldaten, Flüchtlinge, Einheimische und sogar Kriegsgefangene. Neben den üblichen Verletzungen war es auch wichtig, Flöhe und Hauterkrankungen durch mangelnde Hygiene zu bekämpfen. Während die Soldaten die Japaner bekämpften, Kämpften die Ärzte mit allen Mitteln gegen die Nebenwirkungen des Krieges.


(Weltweite Verbindung durch Erinnerung)

Wie eng die verschiedenen Menschen aus allen Ecken der Welt in Tuyunguan verbunden waren, erzählt uns Yang in Form eines Pullovers, den ihr ihre Mutter strickte als sie klein war: Die Wolle für den Pullover war ursprünglich in Socken verarbeitet, die ihr in Tuyunguan ein US-amerikanische Soldat geschenkt hatte. Yang liebt diese Verbindungen. Sie hat das Gefühl, dass ihre Geschichte nicht nur mit der ihrer Familie, sondern mit der vieler Familien in aller Welt zusammenhängt wie die Maschen in einem neu gestrickten Pullover. Und so hat sie, nachdem sie 2005 in Rente ging, nach den Menschen gesucht, die damals in Tuyunguan waren, oder nach deren Nachfahren. So hat sie in zehn Jahren Recherchearbeit die Tochter des Lehrers ihres Vaters gefunden. Oder den alten Mann, der mit zehn Jahren in Tuyunguan war und heute aus dem Kopf eine Landkarte zeichnet, um den Ort wieder aufleben zu lassen, oder eine Dame, deren Vater ebenfalls in dem Dorf gearbeitet hat. Viele ausländische Ärzte sind nach dem Krieg zurück in ihre Heimat gegangen. Ihre Nachfahren sind nur schwer zu erreichen. Einige chinesische Ärzte sind nach Taiwan gegangen. Da findet Yang nach und nach Verbindungen. Und sie gibt noch nicht auf. 3000 bis 4000 Menschen arbeiteten dort in der Zeit, als ihr Vater da war. Hinter ihnen stehen 3000 bis 4000 Familien. Das sind, so sagt sie 3000 bis 4000 Geschichten. Da sind sie wieder. Die vielen Zahlen. Es sind Zahlen, die bis heute Guiyang mit der Welt verbinden.

Emilie Cherlet

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