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CRI berichtet aus Guizhou: Hinter den Denkmälern stecken Geschichten
  2015-05-25 16:55:11  cri
Wer heute den Guiyang Forest Park in Guiyang, der Provinzhauptstadt Guizhous, besucht, wird zunächst das vorfinden, was er in einem herkömmlichen chinesischen Park erwartet: Tanzende Damen, Tai Chi betreibende Herren, Vogelliebhaber, die ihre Schützlinge in Bäumen zwitschern lassen und hier und da ein Grüppchen auf einer Bank, das sich einen Plausch hält. Das bunte Treiben findet jedoch zwischen mehreren recht großen Monumenten statt, die scheinbar von den Bürgern Guiyangs in ihrem Alltag nicht mehr weiter beachtet werden. Fragt man eine Dame auf der Bank, oder den netten Herrn, der gerade seine Sportübungen mithilfe seines Stocks beendet hat, was die Geschichte dieser Denkmäler ist, fällt die Antwort mitunter knapp oder wage aus: „Die erinnern an die ausländischen Ärzte, die während des Antijapanischen Krieges herkamen, um China zu helfen". Soweit richtig. Aber was steckt nun dahinter? Wer sind die Figuren, die in diesem großen Park auf uns herabblicken? Welche Geschichten stecken hinter den Namen, die in den weißen Stein gemeißelt sind? Wer liegt hier unter dem Grabstein fernab von der Heimat Europa? Und warum riskierten sie alle ihr Leben für ein Ziel, das am anderen Ende der Welt fast nicht erreicht worden wäre? Wir haben heute unsere Reise in Guizhou begonnen, um das alles herauszufinden und die alten Geschichten wieder lebendig zu machen.

 
(Tuyunguan - Ort für Freizeit und Gedenken)


Die Denkmäler im Park erinnern ganz konkret an das internationale Ärzteteam, das Ende der 30er Jahre nach China kam, um das Land gegen die Japaner zu unterstützen. Als 1939 der spanische Bürgerkrieg zu Ende ging, konnten viele Kommunisten, die in Spanien gekämpft hatten nicht zurück in ihre europäische Heimat. Für einige ergab sich durch das in London gegründete Antifaschistische Bündnis die Möglichkeit, am antijapanischen Krieg in China teilzunehmen. Die Ärzte, die dann zunächst über Hongkong und Vietnam nach Guizhou eingeschleust wurden, wurden dann auch „Spanienärzte" genannt. Durch das Gebiet um das nördliche Tor des Parks führte ein lebensnotwendiger Pass, der im Krieg von strategischer Bedeutung war. Der Tuyunguan Pass. Hier ließen sich die Ärzte im Schutz der Bäume nieder und schlugen ihr Lager und ihre Krankenstation auf. Von dieser Basis aus konnten sie wenn nötig kleine Gruppen von zwei bis drei Ärzten losschicken in die Kampfzone, um dort vor Ort zu behandeln. Aber auch in der Station behandelten sie mehrere 10.000 Kranke und Verletzte, die oftmals nur noch von anderen Kämpfern oder Familien angeschleppt werden konnten.

 
(Denkmal für das internationale Ärzteteam)

Zu den Spanienärzten, die dort tätig waren, gehörte auch der österreichische Arzt Dr. Rolf Walter Freudmann. Wie seine Kollegen ist auch Freudmann bereits verstorben und Verwandte oder Nachfahren sind hier in China nicht auffindbar, da Freudmann nach dem Krieg nach Österreich zurückkehrte. Aber man findet hier Menschen wie den 67-jährigen Li Xinggang. Sein Vater, so erzählt er, wurde von Freudmann behandelt. Ja, Freudmann konnte gar seine Fähigkeit zu gehen, wenn nicht gar sein Leben retten, berichtet Li heute in offener Dankbarkeit. Obwohl es Li nicht schwer fällt, die Geschichte seines Vaters zu erzählen, stellt sie sich doch als komplizierter heraus als ursprünglich gedacht. So hatten die zumeist kommunistischen Ärzte Schwierigkeiten, sich in dem von der Kuomintang geführten Gebiet für die Versorgung der Kranken einzusetzen. Es sei denn, es bestand zum gegebenen Zeitpunkt gerade ein Bündnis zwischen den beiden Parteien, die jeweils oder gemeinsam gegen die Japaner kämpften. Lis Vater Li Zhimin war Mitglied in der Kuomintang. Ein Grund, warum er seinem Sohn seine Geschichte erst sehr spät, zögernd und stückchenweise erzählt hat. Wie sein Sohn heute berichtet, kämpfte Li Zhimin in Guilin. Ende 1944 bekam er mit einer Gruppe von Männern den Auftrag, eine Brücke zu sprengen und die Japaner so, wenn auch nur für kurze Zeit, am Fortkommen zu hindern. Bei der Sprengung erlitt Li Verletzungen am Bein, die er selbst durch einen missglückten Freudensprung über die geglückte Sprengung noch verschlimmerte. Zwei bis heute unbekannte Soldaten schleppten ihren Kameraden über drei Wochen nach Guiyang in das Krankenlager, wo Li endlich durch den Arzt Freudmann behandelt werden konnte. Durch die Verzögerung und die Schwere der Verletzungen war nicht klar, ob Li Zhimin seine Beine würde behalten können. Freudmann wandte Röntgenstrahlen an, um herauszufinden, was zu tun war. Eine Amputation war nicht auszuschließen, aber soweit wollte der Arzt noch nicht denken. Mit Hilfe seiner chinesischen Krankenschwester, mit der er in der Zeit in China zusammenarbeitete, gab der Arzt Li zu verstehen, dass die geringe Chance auf Heilung bestehe, wenn die Beine innerhalb von zwei Wochen abschwellten. Dazu war für Li absolute Bettruhe angesagt. Doch der Vize-Bataillons-Kommandeur war nur sehr schwer zur Ruhe zu bringen, auch wenn Freudmann in seiner immerzu freundlichen Art eine Menge Geduld aufbrachte, ihn im Bett zu behalten. Trotzdem gelang wider erwarten die Behandlung. Li Zhimin wurde so zum Präzedenzfall in der Gegend und half so auch bei der Ausbildung neuer chinesischer Ärzte durch die Spanienärzte.


(Li Xinggang )

Als Li Zhimin genesen war, war es nicht Freudmann persönlich, der sich von ihm verabschiedete, sondern stellvertretend seine Krankenschwester. Vielleicht hatte er andere Patienten, die seine Aufmerksamkeit dringender benötigten. Vielleicht war er nicht für Abschiede gemacht. Aber Li Zhimin bekam alle nötigen Anweisungen, um auch in später laufen und gesund bleiben zu können. Er erinnerte sich gegenüber seinem Sohn, dass die ausländischen Ärzte, die in diesem Krieg nach China kamen, nie die Geduld verloren, immer ein freundliches Wort für jeden hatten, einfach aus tiefstem Geiste heraus Ärzte waren. Über diese und andere Geschichten hat Li Xinggang ein Buch geschrieben. Damit sie nicht vergessen werden und damit sich auch China aktiv an die Geschehnisse von damals erinnern kann, die fast schon aus dem Gedächtnis der Menschen verschwunden sind. Vielleicht gelingt es ihm. Vielleicht werden irgendwann die Menschen, die im Park in Guiyang spazieren, spielen, tanzen oder plaudern auf die Frage nach den Denkmälern mit echten Geschichten antworten und nicht mehr bloß mit einem Satz. Das wäre wünschenswert.

Emilie Cherlet

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