Wir über uns Kontakt Jobs Fragen? Archiv
Tibetischer Schriftsteller Long Renqing: "Ich scheue keine Rückständigkeit"
  2014-12-31 15:22:18  CRI

 

Das ist ein unerwartetes Treffen: Im Korrespondentenbüro von China National Radio (CNR) in Xining, der Provinzhauptstadt Qinghais, erscheint vor uns ein Tibeter mittleren Alters in dunkelgrauen Jeans und olivgrünem Longshirt. Er hat einen kräftigen Körperbau, eine dunkle Gesichtsfarbe und strahlt Aufrichtigkeit aus. Schon auf den ersten Blick lässt sich das Sprichwort nicht aus dem Kopf vertreiben: "Stille Wasser sind tief".

Der tibetische Schriftsteller Long Renqing lebt schon mehr als 20 Jahre in Xining. Inzwischen merkt er, dass viele ethnische Minoritäten in dieser Stadt ihre kulturelle Identität vertuschen wollen. Long beschreibt dieses Phänomen schon gleich zu Anfang unseres Gesprächs:

"Die Kultur der Han-Chinesen bildet den Kern der Popkultur in chinesischen Städten, in denen die Minderheiten als sozial schwach gelten. Wenn ihre ethnische Identität und ihr nationales Merkmal im Alltag zum Ausdruck kommen, stehen sie unter dem Druck der überlegenen Kultur. So versuchen sie, einerseits ihre Identität äußerlich, einschließlich der Kleidung und Sprache zu verstecken, andererseits aber auch ihre eigene Kultur zu zeigen."

Dieser Widerspruch drückt sich auch in Long Renqing aus. Als Sohn einer han-chinesischen und tibetischen Hirtenfamilie in der Steppe Tiebuja direkt am Qinghai-See, ist er von klein auf fest mit der tibetischen Kultur verwurzelt, was sein heutiges literarisches Schaffen stark beeinflusst. Er weicht dem Kontrast zwischen ihm, der Tradition, dem Westen und der Gegenwart nicht aus. In seinen Büchern drückt er seine Besorgnis über das Verkommen der traditionellen Kultur im Zuge der Globalisierung und Industralisierung aus. Seine Heimatliebe könne man als Versuch verstehen, die Tradition zu wahren, erklärt Long:

"Kulturelle Einheit ist schwer auf politische oder wirtschaftliche Weise zu erlangen. Ich stehe gerne denjenigen zur Seite, die an der Tradition festhalten. Auch wenn man dies als Rückständigkeit betrachtet, scheue ich keine Rückständigkeit. Das finde ich schön."

In seinen Büchern verleiht der Schriftsteller dem Widerspruch zwischen Tradition und Moderne konkrete symbolische Zeichen: Pferd und Motorrad, Balladensänger und Kassettenrecorder, Hirtenkind und Teleskop. Als weitere Gegenstände seiner Erzählungen wählt er die Überfischung im Qinghai-See, die Umwandlung von Steppen in Ackerland, schmeichlerische Hochzeitsshows, usw.. Sein kritischer Blick ist nicht zu überlesen.

Dank bilingualer Erziehung in Chinesisch und Tibetisch in seiner Kindheit und eines Hochschulstudiums für Tibetologie, ist Long Renqing dem literarischen Schaffen in beiden Sprachen völlig gewachsen. Was er allerdings beim Gespräch am meisten anspricht, sind Ideen des tibetischen Buddhismus wie „Ahimsa (Gewaltlosigkeit)", „Wohlergehen für alle", „Gottesfurcht" und "Naturschutz". Man bemerkt seine tiefe Verbundenheit zu seiner Heimat sowohl in seinen Büchern als auch in diesem Gespräch.

Der 47-Jährige war früher auch als Reporter, Redakteur, Regisseur und Filmproduzent tätig. Zurzeit setzt er sich für die Übersetzung von Werken berühmter tibetischer Schriftsteller ins Chinesische ein, und hat schon die Übersetzung von zwei Büchern des tibetischen Epos „König Gesar" ins Chinesische vollendet. Er sei ein tibetischer Schriftsteller, der innere Reinheit und Ruhe anstrebe, sagt Long Renqing:

"Ohne Gottheit und Religion ist das Leben der Tibeter kaum vorstellbar. Auch wenn es in meinen Büchern um Menschenwelt, Gott und Hölle geht, hoffe ich, dass sie als Werke verstanden werden können, in denen ein Tibeter auf tibetische Weise die Welt betrachtet. Ich finde es sinnvoll, durch literarisches Schaffen Dialoge mit der Welt zu führen. Dadurch kann ich auch meine Gefühle besser ausdrücken."

Erfasst von Yan Wei

Gesprochen von Xiao Lan

© China Radio International.CRI. All Rights Reserved.
16A Shijingshan Road, Beijing, China