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Pornos statt Sexualkunde - Bessere Sexualaufklärung in China gefordert
  2014-09-02 15:02:54  cri

 

Sexualaufklärung war lange Zeit ein Tabu in China. Auf die Frage, woher komme ich, antworten viele chinesische Eltern sowohl märchenhaft als auch schwammig: „Du bist wie ein Engel vom Himmel zu uns runtergekommen." Bei anderen ist die Antwort weniger schön: „Wir haben dich auf einer Müllkippe gefunden und nach Hause gebracht." Die Mehrheit der jungen Männer in China hat das meiste über Sex durch Porno-Videos gelernt. Die Unaufgeklärtheit erhöht das Risiko von Geschlechtskrankheiten und auch sexuellem Missbrauch. Eine bessere Sexualaufklärung ist in China also dringend notwendig, sowohl in der Schule als auch durch die Eltern.

"Mama!" ruft die 12-jährige Gu Mengran mit einem schüchternen Grinsen, als ihre Mutter sie über den Sexualkundeunterricht in der Schule fragt. Nach einigen ermutigenden Worten der aufgeschlossenen Mama antwortet Gu schließlich: „Unser Lehrer überschlägt die Seite immer nur und sagt wir sollen selbst darüber lesen." Gu geht in die sechste Klasse einer Nanjinger Schule in der ostchinesischen Provinz Jiangsu.

Die Vorgehensweise ihres Lehrers scheint kein Einzelfall zu sein. Sexualaufklärung an Chinas Schulen scheint oft vernachlässigt zu werden. Auch den meisten Eltern ist es unangenehm, mit den Kindern über das Thema Sex zu sprechen. Die meisten verwechseln den Begriff „Sex" und „Sex-Erziehung", glaubt Zhang Meimei, Vorsitzende des Forschungszentrums für Sex-Erziehung an der Pädagogischen Universität Beijing.

„Das Thema „Sex" ist nur ein kleiner Bestandteil der Sexualerziehung, und zwar auf physiologischer Ebene. Sexualerziehung hat im Grunde genommen das Ziel, gesunde, selbstbewusste und glückliche Männer und Frauen zu erziehen. Diese Erziehung sollte im Kindergarten beginnen und dann das ganze Leben lang dauern."

In einer Kultur, in der ein offenes Gespräch über Sex Jahrhunderte lang Tabu war, mag eine solche Zurückhaltung einst akzeptabel gewesen sein – aber heute nicht mehr. Die Zahlen sprechen für sich. Einer Umfrage in der südchinesischen Provinz Guangdong zufolge haben etwa sechs Prozent der Mittelschüler bereits sexuelle Erfahrungen. Unter den Studenten liegt diese Quote bei über 20 Prozent, sieben Prozent davon in homosexuellen Beziehungen. Und über 80 Prozent des Geschlechtsverkehrs unter Schülern und Studenten verlaufen laut der Studie ohne Schutz. Aids-Expertin Sun Lijun vom Beijinger You´an Krankenhaus zeigt sich tief besorgt.

„Ich habe einige Diagnose-Berichte in der Hand. Die meisten Patienten sind um die 20. Hier zum Beispiel, ein 21jähriger junger Mann. Hier nochmal ein Junge, 21. Hier ein junges Mädchen mit nur 16. Ein Phänomen hat mich in letzter Zeit am meisten schockiert: Immer mehr Mittelschülerinnen und –schüler infizieren sich mit dem HIV-Virus, Syphilis oder Genitalwarzen."

Die Immunkrankheit AIDS ist die treibende Kraft hinter den immmer lauter werdenden Forderungen, die Sexualerziehung in China zu verstärken. Zahlen des Gesundheitsministeriums belegen, dass der Anteil von jungen HIV-Infizierten zwischen 15 und 24 Jahren von 0,9% im Jahr 2008 auf mittlerweile 1.7% gestiegen ist.

Ein weiterer Grund, warum Eltern und Schulen dringend mehr Wert auf die Sex-Erziehung legen müssen, sind steigende Fallzahlen von sexuellem Kindesmissbrauch. Statistiken zufolge wurde 2013 landesweit insgesamt über 125 derartige Fälle in den Medien berichtet. Die Täter waren Wachmänner von Kindergärten, Grundschullehrer, Nachbarn und sogar Beamte. Hu Ping, Expertin für die Sexualerziehung von Kindern, benennt die Defizite in China im Vergleich zum Westen.

„Es gibt viele Bilderbücher aus dem Westen aber auch aus Hongkong und Taiwan. Den Kindern wird mit sechs Jahren schon beigebracht, dass ihre Körper heilig und unantastbar sind. Wie sie mit einer solchen Situation umgehen sollen, haben Sie in der Kindheit schon gelernt. In China fehlt aber eine solche Erziehung. Die meisten Eltern haben keine Ahnung, wie man dieses Thema angehen soll."

Sun Yunxiao, Chefredakteur des Magazins „Kinder- und Jugendforschung" empfiehlt Eltern und Lehrern, die Sexualerziehung in einer lockeren Art und Weise durchzuführen. Man solle diesem Thema auf keinen Fall ausweichen oder es mystifizieren.

„Sympathie, Liebe und Ehre zwischen Männern und Frauen sind die schönsten Emotionen der Menschen. Man darf dieses Gefühl nicht ignorieren oder eindämmen, sondern muss es zulassen, es pflegen und schätzen. Aus diesem Grund sollte Sexualerziehung in einer offenen Art und Weise durchgeführt werden."

Sun fügt hinzu, wenn man „Unkraut" im Herzen der Kinder vermeiden möchte, solle man gerade dort „Getreide" anbauen, um Hässliches und Trübes durch Schönes und Sonniges zu ersetzen. Da liege der wesentliche Sinn der Sexualerziehung von Kindern, so der Experte.

Verfasst von: Zhu Liwen
Gesprochen von: Lu Ming

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