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Kaiping – Die Stadt der seltsamen Türme
  2013-06-07 19:21:23  cri

Paranoider Sicherheitswahn

Die 1.600 Wohntürme, die in der kurzen Zeitspanne von 1900 bis 1931 wie Pilze aus den Reisfeldern um Kaiping schossen, sind zwar alles Unikate, letztendlich dienten sie aber alle nur einem einzigen Zweck: dem Schutz von Familie und Eigentum! Mauern aus Beton, doppelt- und dreifach gesicherte Türen, kleine vergitterte Fenster mit Läden aus Metall, Schiessscharten, Geschütztürme und Suchscheinwerfer – was aus heutiger Sicht paranoid anmutet, war im ländlichen Kaiping des frühen 20. Jahrhunderts überlebenswichtig. Die Sehnsucht der Heimkehrer nach Recht und Ordnung kommt auch in den Namen zum Ausdruck, die sie ihren Renaissance-artigen Festungen gaben: „Der Turm zur Wahrung des Friedens" („Zhenan Lou"), „Der Weltfriedens-Turm" („Qiuanju Lou") oder „Der Turm der Sicherheit" („Baoan Lou").

   

Das Ende des „Diaolou"-Booms kam in den 1930er Jahren in Form der Weltwirtschaftskrise und dem Einmarsch der Japaner. Heute stehen viele Wehrtürme leer. Ihre Erbauer sind längstens tot und die meisten ihrer Nachfahren wie einst ihre Vorfahren nach Übersee ausgewandert. Angehörige der Clans aus Kaiping finden sich praktisch auf der ganzen Welt: Von Südostasien über Nordamerika bis hin nach Australien und in die Südsee. Dem Volksmund zufolge gibt es im Ausland heute mehr Kaipinger als in Kaiping selbst.

Sollten Sie also in San Francisco, Vancouver, Sydney oder Manila auf einen chinesischstämmigen Taxifahrer treffen, der Sie höflich bittet, sich anzugurten, dann sitzen Sie aller Wahrscheinlichkeit nach im Fahrzeug eines Mannes mit Kaipinger Wurzeln. Falls dieser Mann mit Familiennamen zufällig noch Fang, Huang oder Xie heißt und seine Arbeit mit einem Motorradhelm auf dem Kopf ausübt, dann ist er ganz sicher in einem der zahlreichen festungsartigen Wohntürme in Kaiping aufgewachsen...

Reisetipps:

Kaiping (开平) erreichen Sie am besten von Guangzhou aus. Vom Busbahnhof Liuhua (流花) gegenüber dem Hauptbahnhof verkehren Busse im Stundentakt direkt in die Diaolou-Stadt. Zeigen Sie der Ticketverkäuferin sicherheitshalber die chinesischen Schriftzeichen von Kaiping, anscheinend gibt es ähnlich klingende Destinationen! Die Fahrt nach Kaiping dauert ziemlich genau 2 Stunden (59 RMB). Von Zhuhai aus dauert die Anreise ebenfalls 2 Stunden, von Shenzhen müssen Sie mindestens zweieinhalb Stunden rechnen.

Günstige Hotels in Kaiping finden Sie entlang der Wenxin Lu (文新路), die vom Hauptbusbahnhof (开平市客运总站) in südlicher Richtung hinunter zum Tan-Fluss verläuft. Doppelzimmer gibts bereits ab 80 RMB pro Nacht.

In fast jedem Dorf um Kaiping herum stehen noch Diaolou. Besonders sehenswert sind die Dörfer Zili (自力村), Jinjiangli (锦江里) und Majianglong (马降龙). Theoretisch können Sie alle drei mit dem ÖV erreichen. Da die Einheimischen vorwiegend Kantonesisch sprechen und aus Zeitgründen empfiehlt sich aber das Heuern eines Taxis. Für 450 RMB sollten Sie einen Fahrer finden, der Sie in diese drei Dörfer bringt und zwischendurch noch am ein oder anderen Ort anhält.

Die schönsten Dörfer liegen nur 10 bis 30 Kilometer außerhalb von Kaiping und können an einem Tag bequem per Taxi besichtigt werden. Als erster Halt empfiehlt sich das Dorf Sanmenli (三门里) mit dem „Yinglong Lou", dem noch ältesten erhaltenen Diaolou. Eine halbe Stunde sollte genügen.

Danach besuchen Sie am besten das Dorf Zili (自力村), das nicht nur über die größte Ansammlung von Wehrtürmen verfügt, sondern auch über ein kleines Museum, in dem Sie mehr über die Entstehung dieser skurrilen Bauten erfahren. Planen Sie dafür 3 Stunden ein. Einige Dorfbewohner bieten lokale Spezialitäten an. Zili eignet sich damit hervorragend für die Mittagspause.

Auf keinen Fall verpassen dürfen Sie den „Ruishi Lou" (瑞石楼) im Dorf Jinjiangli. Der Turm von Huang Bixiu ist der mit Abstand spektakulärste Kaipinger Diaolou.

Falls Sie danach noch Zeit haben und noch immer nicht genug Diaolou gesehen haben sollten, können Sie den Tag in Majianglong ausklingen lassen. Majianglong wird im offiziellen Tourismusprospekt als „schönstes Dorf der Welt" angepriesen. Ein Titel, dem es jedoch auf keinen Fall gerecht wird. Seine Villen und Diaolou sind sicher sehenswert, doch weit weniger imposant als jene in Zili und Jinjiangli, weil sich die meisten von ihnen in Bambushainen befinden und daher kaum in voller Pracht bestaunen lassen.

Ebenfalls sehenswert sind der Li-Garten (立园) nahe Zili, der 1936 von einem vermögenden USA-Rückkehrer angelegt wurde, und die Altstadt von Chikan (赤坎), 10 Kilometer südwestlich von Kaiping. Die malerischen Häuser entlang der Wasserfront wurden von wohlhabenden kantonesischen Händlern in den 1920er Jahren errichtet. Heute werden in Chikan oft Filme gedreht.

 

Die Besichtigung von Zili kostet 80 RMB. Für Jinjiangli und Majianglong müssen Sie jeweils 50 RMB bezahlen. Der „Ruishi Lou" kostet 20 RMB extra, 10 RMB für Chinesen oder Chinesischsprachige. Falls Sie den Li-Garten besuchen wollen, lohnt sich ein Komboticket für 130 RMB, das auch für die Besichtigung von Zili und Majianglong berechtigt.

  

Um die baulichen Sehenswürdigkeiten in und um Kaiping richtig genießen zu können, sollten Sie zwei Tage einplanen. In der gemütlichen Kleinstadt am Tanjiang selbst lässt es sich problemlos einige Tage verweilen. Empfehlenswert sind vor allem die Kaiping-Brücke (开平桥), die mit ihren vier wuchtigen Diaolou ein wenig an die Londoner Tower-Bridge erinnert, und die Fußgängerzone im Diaolou-Stil im Stadtzentrum, wo abends die Händler um die Gunst der Passanten buhlen.

  

Viel Spaß in Kaiping!

Text und Fotos: Simon Gisler


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Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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