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(GMT+08:00) 2005-06-06 15:15:13    
Die Linie: Schönheit in der Kraft der Pinselführung

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Die beiden wesentlichen Bestandteile der Kalligraphie sind die chinesischen Schriftzeichen und das Schreiben. Wenn die Zeichen der Körper sind, dann ist das Schreiben die diesem Körper verliehene Seele. Die beiden sind zugleich entstanden und herangewachsen, zusammen haben sie die Kunst der Kalligraphie geboren.

Kalligraphie ist etwas Anderes als die in der bildenen Kunst verwendeten Zeichen oder die bei den Beamtenprüfungen im Kaiserreich der Ming- und Qing-Dynastien verlangten "Getizi". Gedruckte Zeichen aus alter und neuer Zeit sind selbstverständlich auch etwas Anderes. Die Linien und Zeichen der Kalligraphie haben Fleisch und Blut, Sehnen und Knochen, Ausdruck und Kraft,, sie haben Gedanken und Gefühle, sie haben eben etwas Lebendiges, und eine Schönheit der Geste, des Vorgangs, der Idee.

Im Folgenden besprechen wir in drei Kapiteln drei Bauformen, welche die Kalligraphie ausmachen. Es sind der Strich, das Zeichen und die Zeile, bzw. auch das ganze Werk. Sie bilden ein System der Ästhetik.

In diesem System ist der Strich die Basis, aus den Strichen entstehen die Zeichen und Zeilen. Wir können Zeichen und Zeilen als Schienen und Formen für die Anordnung der Striche betrachten. Viele Faktoren für die schöne Form der Punkte und Linien, wie Kraft, Bewegung, Rhythmus, Veränderung, Harmonie etc., sind auch die Faktoren für die schöne Form der Zeichen und Zeilen, wobei die Gewichtung freilich unterschiedlich ausfällt.

Der Schwerpunkt bei den Strichen liegt auf der kraftvollen Pinselführung. Der berühmte moderne Gelehrte Liang Qichao hat in einem Essay mit den folgenden Worten die Rolle der Kraft zusammengefasst: "Schreiben kommt ganz von der Kraft im Pinsel, ob die da ist oder nicht, das entscheidet, ob es ein gutes Zeichen wird. Und ob die Kraft da ist im Strich, das merkt man sofort beim Schreiben."

Wie kann man nun mit dem Pinsel diese Kraft ausdrücken? Der Kalligraphie-Theoretiker Sun Guoting aus der Tang-Zeit sagte: "Unerläßlich für alle Kunst ist das Rückgrat." Mit Rückgrat (guqi) meinte

er sowohl die innere Kraft bei der Handhabung des Pinsels, als auch die Kraft, welche auf dem Papier in Punkten und Strichen sichtbar wird. Beliebiges Verstreuen von Tinte auf dem Papier, da kann man nicht von Kraft oder Rückgrat sprechen - und ebensowenig, wenn jemand, der den Schreibpinsel nicht beherrscht, wie mit einer Bürste zum Ausmalen auf dem Papier hin- und herfährt. Der Pinsel sollte vielmehr gerade gehalten werden, im Winkel von 90° zum Papier.

Hier müssen wir noch einmal die wichtige Rolle der im letzten Kapitel besprochenen "Vier Schätze" betonen. Lasst uns mit dem Pinsel und mit einem Stift geschriebene Zeichen vergleichen, um die wesentlichen Unterschiede zu erkennen. Die von einem harten Schreibgerät stammenden Linien sind alle gleich dick. Man sieht nicht, und man achtet nicht darauf, wo der Schreiber Kraft verwendet, wo er innehält, oder wo er beschleunigt. Mit Haarpinsel (mao bi) auf Xuan-Papier geschriebene Zeichen sind da völlig anders: Die Punkte und Striche sind dick oder dünn, fest oder leicht, in Bewegung oder in Ruhe, schnell oder langsam, jedesmal unterschiedlich. Denn beim Schreiben der Striche eines Zeichens geht man eben dieses eine Mal, und jedesmal nach einer bestimmten Reihenfolge vor, da gibt es kein Nachfahren oder Korrigieren. Das ist die Schwierigkeit, und die Faszination. Und die Kraft im Pinsel können wir verstehen als die manifestierte Fähigkeit zur Beherrschung oder Bändigung dieser Kunst.

Wie zeigt man nun die Kraft in der Linie? Da gibt es viele Handhaben, hier möchten wir nur zwei vorstellen, welche etwas leichter nachzuvollziehen sind.

Das eine ist die Pinselmitte, oder die Mitte der Spitze. Man hält den Schaft des Pinsels gerade und achtet darauf, dass die Hauptlast der Haare in der Mitte des ausgeführten Striches bleibt, dann geht der Rest der Pinselhaare von selbst auf beiden Seiten mit. Wenn die Spitze in der Mitte bleibt, ist auch das Rückgrat da, und das Zeichen fließt. Die Spitze kann aber auch auf der Seite sein, d.h. die Hauptlast der Haare ist auf einer Seite der Linie versammelt, so kann sie spitz, schroff, oder jäh erscheinen.

Das zweite ist das Heben und Senken. So entsteht der Rhythmus, so entsteht auch die Kraft in der Schreibtechnik. Heben, das ist ein leichtes Anheben des Pinsels während des Schreibens, und zwar mit Kraft; Senken ist das Gegenteil, also ein Aufdrücken. Anheben macht die Linie fein und kraftvoll, leicht und schwebend; Aufdrücken macht sie dick und kraftvoll, konzentriert und schwer.

Die verschiedenen Linien in einem Zeichen, dick oder dünn, leicht oder fest, kommen hauptsächlich von dieser Handhabung der Kraft. Wir können uns das anhand der drei Striche eines "Da", des Zeichens für 'groß' in Normalschrift klar machen.

Die Handhabung dieses Gegensatzes zwischen Heben und Senken ist keine leichte Aufgabe. Denn während der Schreiber mit diesem Gegensatz in der Kraft umgeht und den Pinsel hebt oder senkt, muss er oder sie noch mit einem zweiten Gegensatz fertig werden. Gehen oder stehen, eine Kraft drängt weiter nach vorne, eine Kraft lässt einen innehalten oder langsamer vorgehen. Das ist wie bei einem Basketballspieler, er dribbelt den Ball und läuft zugleich, diese Technik kommt wie von selber, und die hat er sich nicht nur an einem einzigen Tag angeeignet.

Für jeden Schrifttyp ist die Frequenz des Hebens und Senkens verschieden. In der Kuang Cao, der Wilden Grasoder Konzeptschrift, kommt es auf die schnelle Führung des Pinsels an, deshalb ist die Veränderung beim Heben und Senken geringer. In der Kleinen Grasschrift und in der Schreibschrift gibt es schon mehr Veränderungen. Bei der Kanzleischrift gibt es auch mehr Veränderung, das sieht man besonders am waagrechten Strich mit Seidenraupenkopf und Wildgansschwanz oder am Messerstrich nach rechts unten (na dao). In der Normschrift ist die Frequenz des Hebens und Senkens am größten. Nur die Siegelschrift verändert sich im Prinzip nicht durch Heben und Senken, außerdem ist die Spitze des Schreibgeräts in der Regel in der Mitte und nicht auf der Seite, weil die Linien bei der Siegelschrift gleichmäßig und ausgewogen dick oder dünn sein sollen. Aber die Siegelschrift hat ihre eigenen Wege, um die Kraft sichtbar zu machen. Eine Methode ist das schnelle oder langsame Führen des Pinsels auf einer gleichmäßig breiten Linie. Auch im dichten oder trockenen Schwarz der Tusche zeigt sich die Kraft. Im "Shuce" ('Schreibheft') von Qian Dian (1741-1806), einem Meister der Siegelschrift aus der Qing-Dynastie, steht jedes Zeichen gleichmäßig und gerundet da, die Pinselführung kennt schnell und langsam, die Tusche dickflüssig oder trocken, da scheint auf wunderbare Weise die hohe Kunst des Meisters durch. In seinen späten Jahren wurden seine Zeichen von rechter Hand besonders trocken, da schrieb er die Siegelschrift mit links, und ebenso glanzvoll.

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