Der Hasengott und das chinesische Mondfest
|
Nach alten chinesischen Mythen und Legenden flog die Göttin Chang'e nach der Einnahme einer Unsterblichkeitspille zum Mond hinauf. Bei ihrem „Mond-Flug" trug sie einen Hasen bei sich. Dieser, im Volksmund „Yu Tu", oder auch Jadehase genannt, leistete Chang'e in ihrer Einsamkeit im Mondpalast Gesellschaft.
Einer weiteren Legende zufolge wurde die Stadt Beijing einmal von einer Seuche heimgesucht. Fast jeder Haushalt war betroffen, und die Krankheit ließ sich nur schwer heilen. Göttin Chang'e war untröstlich, als sie das irdische Geschehen sah. Sie schickte den Jadehasen zur Erde, um die Krankheit zu stoppen und zu heilen. „Yu Tu" verwandelte sich in ein junges Mädchen und ging als erfolgreicher Heiler von Tür zu Tür.
Laut der Legende wollten sich viele beim Jadehasen mit einem Geschenk bedanken. Dieser lehnte jedoch alle Gaben ab. Nur Kleidung ließ er als Präsente zu. Und so wechselte er, wann immer er an einen neuen Ort kam, seine Kleider. Einmal zog er sich an wie ein Straßenhändler, einmal wie ein Wahrsager, einmal männlich und einmal weiblich.
Um noch mehr Menschen helfen zu können, nutzte der Jadehase Reittiere wie Pferde, Hirsche, Löwen bzw. Tiger und hinterließ seine Spuren an jeder Ecke Beijings. Nachdem der Jadehase seine Mission beendet hatte, kehrte er in den Mondpalast zurück. Soweit die Legende.
Im Alten Beijing fingen die Menschen an, die guten Taten des Jadehasen in Form von Lehmfiguren zu verewigen. Man bezeichnete sie im Beijinger Dialekt als „Tu Ye Er", als Hasengott. So etablierten sich über die Zeit Figuren in Form von Hasengöttern auf Reittieren oder in Trachten verschiedener Berufsgruppen. Zum traditionellen chinesischen Mondfest, brachte jeder Haushalt dem Hasengott Opfergaben dar, um ihm für seine Gnade zu danken.
Mit der Zeit entwickelte sich die Lehmfigur des Hasengottes zu einem beliebten Kinderspielzeug. Jedes Jahr, im Vorfeld des Mondfestes, wurden sie in den belebten Geschäftsvierteln von Beijing in verschiedensten Varianten zum Kauf dargeboten. Trotz ihrer Vielfalt hatten alle Figuren zwei Gemeinsamkeiten: Sie hatten eine Menschenfigur und ein Hasengesicht. Interessanterweise erfanden die gutherzigen Menschen später auch eine Gattin für den Hasengott. Denn nach traditionellen chinesischen Vorstellungen ist das Leben ohne Ehe unvollkommen.
Heutzutage, sind die Lehmfiguren des Hasengottes in Beijing nur noch in Museen und Kunsthandwerksläden zu finden. Auch zum Mondfest finden keine Opferzeremonien mehr statt. Stattdessen versammeln sich heute an dem Festtag alle Familienmitglieder, um gemeinsam zu feiern.
Verfasst und gesprochen von Xiao Lan