Ein häufiges Bild dieser Tage bei Hochzeitsausstattern und in Fotostudios: Eine Braut wird zu Recht gemacht, die Wahl der Robe wird zur Qual und bei Make-up und Frisur wird nichts dem Zufall überlassen. Endlich ist es dann soweit, es geht hinaus in einen Park oder auch vor die Kulisse einer Kapelle oder Burg – zum Fototermin. Auch der kann länger dauern, denn junge Paare scheuen weder Kosten noch Mühe, damit die Hochzeitsfotos auch richtig gut werden.

Das Kleid ist wirklich perfekt, die Frisur sitzt und das Make-up für den großen Tag ist makellos. Nein, es ist noch nicht die Hochzeit selbst, es ist der Fototermin für die Hochzeitsbilder.

Denn lange bevor sie sich lächelnd das Ja-Wort geben, lächeln Paare in China erst einmal ausgiebig in die Kamera – oder auch in mehrere. Denn die Hochzeitsbilder gehören zum Ritual, und sie sollen perfekt sein. So manches Paar scheut dafür weder nicht enden wollende Foto-Sessions mit dauerndem Umziehen, noch die meist beträchtliche Rechnung: Sicher sind ganz einfache Bilder auch schon für ein paar Tausend Yuan im Kasten, aber für Zig- oder Hunderttausende ist natürlich mehr möglich.

Die Nachfrage nach derartigen Hochzeitsbildern ist so groß, dass China inzwischen der weltgrößte Markt für Studiofotografie und Hochzeitsbezogene Dienstleistungen ist.

Zhang Yi, der Vize-Manager des Beijinger August Foto Studios, hält die Hochzeitsfotos für ebenso wichtig wie die eigentliche Hochzeit.

„Hochzeitsfotos gehören in China einfach dazu. So ziemlich jedes junge Paar lässt eine ganze Serie machen. Im Moment erlebt die gesamte Branche einen richtigen Boom. 60 bis 70 Paare lassen sich bei uns ihre Hochzeitsfotos machen."

Sicher, über Jahrzehnte gab es von chinesischen Paaren bei ihrer Hochzeit meist nur ein einziges offizielles und meist sehr hölzern wirkendes Foto.

Heute werden dagegen weniger formelle Fotos bei der eigentlichen Eheschließung gemacht. Stattdessen gibt es die eigens arrangierten speziellen Hochzeitsfotos aus den darauf spezialisierten Studios. Sie bilden die wichtigste Stütze der boomenden Hochzeitsindustrie, die auf 63 Milliarden US-Dollar geschätzt wird.

Und wer es sich leisten kann, den bringt die Studio-Crew an besonders fotogene Orte in China, etwa auf die Tropen-Insel Hainan. Wohlgemerkt, nicht für die Flitterwochen, sondern für besonders eindrucksvolle Hochzeitsfotos.

Aber auch im Studio ist einiges möglich, wie Vize-Manager Zhang erklärt:

"Frisch, rein, sehr natürlich – das sind die meist benutzten Worte, wenn unsere Kunden den Stil beschreiben, den sie sich wünschen. Außerdem wollen viele Paare etwas sehr traditionell Chinesisches. Aber eben nicht einfach ein glänzendes klassisches Qipao-Etuikleid, sondern eher ein prächtiges Hochzeitskleider mit klassischen Scherenschnitt-Motiven oder mit einem Muster in blau-weiß wie klassisches Porzellan. Und sie lassen die Fotos dann gerne in der Verbotenen Stadt machen oder im kaiserlichen Ahnentempel."

Aber es gibt auch Paare, die ihre romantischen Gefühle nicht durch die sorgsam gestaltete Atmosphäre eines Studios ausdrücken wollen. Auch sie wollen Bleibendes, aber direkt aus dem richtigen Leben. Dafür engagieren sie dann Top-Fotografen, die derartige Momente einfangen können.

Ein Mann namens Cai ließ seine Hochzeitsfotos Shi Yi machen, einem jungen und sehr viel versprechenden Fotografen. Und Cai ist mit dem Ergebnis zufrieden:

„Ich habe meine Hochzeitsbilder auf dem Berg Miao Feng in der Umgebung von Beijing machen lassen. Ich fahre gerne Rad, und besonders gerne und oft eben auf diesem Berg. Da hat Yi vorgeschlagen, die Fotos dort zu machen, wenn ich da mit dem Rad unterwegs bin, und es war eine wirklich gute Idee. Ich stelle mich nicht gerne in Pose für die Kamera. Ich denke, ein gutes Foto sollte einen wirklichen Augenblick der Harmonie zeigen – zwischen zwei Menschen und zwischen Menschen und Natur."

Fotograf Shi sagt, dass die meisten Leute, die zu ihm kommen, einige Gemeinsamkeiten haben: Sie sind um die 30, gut ausgebildet und haben ein starkes Selbstbewusstsein.

Auf seiner Webseite zeigt Shi faszinierende Hochzeitsbilder - vor einem ganz neutralen Hintergrund.

„Welches Hochzeitsbild hat wirklich Bestand und überdauert die Zeit? Ich glaube, dass ein ganz einfacher neutraler Hintergrund, schwarz oder weiß, die Personen hervorhebt. So ein neutraler Hintergrund lenkt nicht von den Personen ab. Wenn man diese Fotos betrachtet, liegt der Fokus auf den beiden Personen, ihrer Haltung, ihren Gesichtern, den Gefühlen, die sie ausdrücken."

Shi meint, das Wichtigste, das die Hochzeitsfotos zeigen sollen, sei Liebe.

"Ich glaube, dass ich mich sehr glücklich schätzen kann. Denn ich habe so viele glückliche Momente vieler Paare erleben können. Manchmal denke ich sogar, dass ich schon auf den ersten Blick sehe, wer wen mehr liebt. In einem guten Hochzeitsbild muss sich diese Liebe zeigen. Ich mache keine Aufnahmen von Posen. Es gibt nichts Natürlicheres als tiefe Gefühle, selbst wenn die beiden gerade Händchen halten. Ich lasse die Beiden immer sie selbst sein und wenn sich die Liebe zeigt, nehme ich sie auf."

Laut Statistik heiraten in China jedes Jahr mehr als acht Millionen Paare, in Beijing sind es fast 100.000. Eine gute Basis also für weiter aufstrebende Hochzeitsindustrie in China. Denn egal, ob im Studio oder im richtigen Leben – vor einer Bilderbuch-Hochzeit steht in China das Hochzeitsbild.

Übersetzt von Hartmut Lüning   

Gesprochen von Xiao Lan