Der 75-jährige Lu Lianda erklärt uns, wie man chinesische Wörter im Beijinger Dialekt auszusprechen hat. Der waschechte Beijinger zählt zu den 90 Kandidaten, die sich als Dialektsprecher bei der Stadt beworben haben, um an dem Dialekt- Schutzprogramm teilzunehmen.
He Hongzhi, Direktor des Beijinger Komitees für Sprachen, leitet das Auswahlprogramm der Dialektsprecher. Er erklärt, was es mit dem Programm auf sich hat:
"Dialekte sind Träger örtlicher Kulturen. Durch dieses Programm wollen wir ein Stück der Beijinger Kultur bewahren. Es ist Bestandteil unserer Schutzmaßnahmen zum Erhalt des immateriellen Kulturerbes der Stadt."
Chinas Dialekte unterscheiden sich zum Teil ernorm von einander. Teilweise sind die regionalen Sprachvarianten so andersartig, dass sie für viele einer Fremdsprache ähneln.
Zhang Shifang, ein Linguist an der Universität für Sprache und Kultur in Beijing betont, die Aufgabe einen guten Dialektsprecher zu finden, sei keine einfache.
"Der Sprecher sollte in Beijing geboren sein. Er sollte zudem nicht länger als zwei Jahre außerhalb der Stadt gelebt haben. Es werden ältere Kandidaten mit Grund- bzw. Mittelschulabschluss gesucht, weil Mandarin einen starken Einfluss auf den Dialekt höher gebildeter Menschen hat. Doch wir haben keine Anforderungen dieser Art an junge Leute, weil sie größtenteils ein hohes Ausbildungsniveau haben."
Laut Zhang werden die Kandidaten in zwei Gruppen geteilt, in eine mit älteren und eine mit jüngeren Kandidaten. Aus jeder Truppe sollen letzten Endes zwei Sprecher ausgewählt werden. Zhang erklärt, was die Kandidaten sonst noch mitbringen sollten:
"In unserem nächsten Schritt halten wir Klang und Bild der Kandidaten fest, um Audio- und Videodokumente zu erstellen. Eine deutliche Artikulation und eine laute Stimme machen den Aufnahmeprozess um einiges einfacher."
Diese Audio- und Videodokumente sollen schließlich in einer nationalen Datenbank für chinesische Dialekte zusammengestellt werden. Das Projekt wurde vor vier Jahren vom Bildungsministerium ins Leben gerufen. Bis jetzt haben mehr als fünf regierungsunmittelbare Städte bzw. Provinzen ihren Beitrag dazu geleistet. Dazu gehören Beijing, Shanghai, Jiangsu, Zhejiang und Liaoning.
Chai An'sheng ist einer der Dialektsprecher-Kandidaten in der Stadt Hangzhou in der ostchinesischen Provinz Zhejiang. Er sagt:
"Ich kann keine anderen Dialekte sprechen. Wenn im Hangzhouer Dialekt rede, kann ich meine Standpunkte gut transportieren. Doch wenn ich etwas in Mandarin ausdrücken soll, bekomme ich es nicht so klar über die Lippen."
China führte in den 1950er Jahren Mandarin als offizielle Sprache ein. Seit 1994 müssen Lehrer, Schauspieler und Moderatoren öffentlicher Medien obligatorisch eine Mandarin-Prüfung ablegen. Seitdem nimmt der Gebrauch von Dialekten in Schulen und an Arbeitsplätzen im großen Stil ab.
Neben der Dialekt-Datenbank sind jedoch auch weitere Ideen entstanden, um Dialekte zu erhalten. Qian Nairong, Linguist an der Shanghaier Universität, hat beispielsweise ein Lehrbuch mit dem Titel "Wie Schüler den Shanghaier Dialekt lernen" veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um das erste derartige Buch der ostchinesischen Metropole. Seit Herbst 2012 haben viele Grundschulen in Shanghai dieses Werk als Lehrbuch eingeführt. In einer der Grundschulen haben die Schüler gerade angefangen, traditionelle Kinderlieder im Shanghaier Dialekt zu lernen.
Viele der Schüler haben Spaß beim Erlernen des Dialektes. Die Hüter der Dialekte sind der Meinung, dass sowohl die Gesellschaft, als auch die Regierungsbehörden noch mehr Anstrengungen unternehmen sollten, um die Dialekte für künftige Generationen zu erhalten.
Übersetzt von Zhang Chen