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M: „Ich studiere und leite eine Stelzentanzkulturgruppe bzw. -konzepte. Deshalb eine Frage: Könnten Sie vielleicht über die Stelzenkultur und -geschichte in China berichten? Gibt es da eine Quelle, waren Sie dort? Ich würde mich freuen über eine Antwort."
F: Liebe Hörer und lieber Herr Klee, diesen Wunsch erfüllen wir Ihnen sehr gern. Und es ist wirklich ein sehr interessantes Thema, auf das wir heute eingehen möchten. Zuerst geben wir Ihnen einige Grundinformationen über Stelzentanz in China.
M: Cai Gaoqiao, auf Deutsch Laufen auf Stelzen oder Stelzentanz, ist eine festliche Volkskunst in China. Beim Stelzentanz stehen die Darsteller auf zwei langen Stelzen und führen dann ihren Tanz wie auf einer hohen Bühne auf. So kann das Publikum die Schauspieler auf den Stelzen gut verfolgen.
F: Der Stelzentanz „Gaoqiao" wird auch als „Yangko-Tanz" bezeichnet. Der im ganzen Land weit verbreitete Volkstanz erhielt seinen Namen durch die Stelzen. Der Stelzentanz hat eine lange Tradition. Die Volkskunstart entstand in der Zeit der Frühlings- und Herbstperiode (770-476 vor Christus) und geht zurück auf eine besondere Art der Aufführung damals. In der nördlichen Wei-Dynastie (386-557 n. Chr.) gab es schon steinerne Figuren, die auf den Stelzen standen.
M: Lieber Herr Klee, nun ein paar Sätze über den Ursprung des Stelzentanzes. Experten zufolge stammt der Stelzentanz von der Totemverehrung der Clangesellschaft und vom Leben der Fischer im alten China. Nach historischen Aufzeichnungen betrachtete der Clan Danzhu in der Yao- und Shun-Zeit vor etwa 3.000 Jahren den Kranich als Totem. Bei Opferriten mussten die Menschern wie Kraniche auf Stelzen tanzen. Außerdem hatten die Fischer an einigen Orten die Sitte, Stelzen an die Beine zu schnüren, um damit besser im seichten Wasser vor der Küste Fische zu fangen, wie zum Beispiel in Fangcheng in Guangxi im Südwesten Chinas. All dies wird heute als der Ursprung des Stelzentanzes betrachtet.
F: Ja, genau. Der Stelzentanz wurde in der Regel durch eine Tanzgruppe vorgeführt, die aus zehn oder mehreren Dutzend Mitgliedern bestand. Sie spielten zumeist Vorlagen aus einer alten Legende oder aus der Geschichte und traten traditioneller Kleidung auf, die Opernkostümen nachempfunden war. Die üblichen Requisiten waren Fächer, Taschentücher, Holzstangen, Schwerter. Bei den Aufführungsformen unterscheidet man zwischen „Caijie" (gemeinsam auf der Straße feiern) und „Liaochang" (in Gruppen tanzen). „Liaochang" war wiederum in „Dachang" (in großen Gruppen tanzen) und „Xiaochang" (in kleinen Gruppen tanzen) aufgeteilt.
M: Stimmt. Außerdem hat gewöhnlich eine Tänzerin mit einem Tänzer zusammen getanzt. Manchmal wurde beim Tanzen auch gesungen. Je nach Ort waren die Stelzen von unterschiedlicher Höhe von 30 bis sage und schreibe 300 Zentimeter. Der Stil wurde in „Wenqiao" und „Wuqiao" aufgeteilt, wobei „Wenqiao" für die Bewegungen und auch die Handlung steht, und „Wuqiao" eher die Geschicklichkeit zeigte.
F: Im Altertum zog zum Frühlingsfest, dem chinesischen Neujahr, eine Gruppe von Stelzenläufern durch die Straßen, um die Festtagsstimmung zu steigern. Ihre Aufführungen, die in der Regel vom 15. bis zum 18. des ersten Monats des chinesischen Mondkalenders andauerten, waren fröhlich, witzig und humorvoll und deshalb sehr beliebt. Die Stelzentänzer trugen normalerweise Theaterkostüme und wurden begleitet von traditioneller Volksmusik. Große Geschäfte stellten Tee und kleine Snacks auf einen Tisch, um die Künstler zu belohnen.
M: Auch heute ist diese Kunst in einigen Regionen Chinas noch immer sehr beliebt. Zum Frühlingsfest oder bei anderen festlichen Veranstaltungen kann man die Aufführungen der Stelzentanzgruppen entweder in Parks oder auf dem Tempelmarkt bewundern. Die Darsteller verkleiden sich oft als Figuren aus bekannten Erzählungen und tanzen zu musikalischer Begleitung der Suona, einer traditionellen chinesischen Holztrompete. Die meisten Stelzen sind heute aus Holz. Es gibt Einzelstelzen und Doppelstelzen. Einzelstelzen können frei bewegt werden. Doppelstelzen sind an die Beine der Darsteller geschnürt.
F: In der Provinz Shandong wird der Stelzentanz sogar als Menschenpyramide auf drei Ebenen aufgeführt. Dabei steht ein Darsteller jeweils auf den Schultern eines anderen Darstellers. In Beijing und Tianjin demonstrieren die Gaoqiao-Darsteller ihre Fähigkeiten mit einem Sprung nur auf einem Bein oder schreiten auf Stelzen durch Hindernisse. In Nordostchina ist die Gaoqiao-Vorführung aus dem Süden der Provinz Liaoning am bekanntesten. Dabei stehen die Darsteller jeweils auf den Schultern ihrer Kollegen. Die obersten Tänzer dieser Pyramide führen einen Yanggo-Tanz auf. Am Ende werden Doppeltänze und Volkstänze, zum Beispiel Schmetterlingsfang, Fischfang oder kleinere Lokalopern aufgeführt.
M: Der Haichenger Stelzen- und Yangko-Tanz im Süden der Provinz Liaoning ist ein sehr beliebter Volkstanz. Der Haichenger Stelzen- und Yangkotanz beinhaltet mehrere Aufführungsformen wie Musik, Tanz, Akrobatik und die chinesische Oper, die eine dem Tanz zugrunde liegende umfassende Volkskunst auf dem Tanzplatz bilden. Der Haichenger Stelzentanz hat nicht nur in Haicheng, sondern auch im ganzen Land und sogar in der Welt großen Einfluss. Seine charakteristische Darstellung zeigt die Besonderheit des Stelzen- und Yangko-Tanzes im Nordosten Chinas. Im Mai 2006 wurde der Tanz in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Volksrepublik China aufgenommen.
F: Soviel, liebe Radiofreunde, über den Stelzentanz in China.
