China ist nicht das Ursprungsland von Löwen. Überlieferungen zufolge hat das Land "Da Rou Zhi" aus den westlichen Regionen dem Kaiser Zhangdi der Östlichen Han-Dynastie (25-220) einen goldhaarigen Löwen als Tribut dargebracht. Seitdem hat dieses Tier in China Wurzeln geschlagen und erfreut sich großer Beliebtheit. Er wird von den Chinesen als glückbringendes Tier betrachtet und genießt fast die gleiche Stellung wie der Tiger, der in China als König aller Tiere gilt.

In der chinesischen Kultur wird der Löwe eher der Welt der Fabeln zugeordnet. Deshalb ist der steinerne Löwe nicht ganz naturgetreu abgebildet. Da Löwen mächtig sind und eine glückbringende Bedeutung haben, werden sie in China gerne als Wachtiere benutzt. In chinesischen Gartenanlagen bzw. am Eingang von alten Tempeln, Ämtern und Residenzen ist ein steinernes Löwenpaar als Wächter zu sehen. Diese Sitte ist bis heute überliefert geblieben. Und woher kommt diese Sitte?

Im chinesischen Volksmund hat der steinerne Löwe viererlei Funktionen: Erstens wendet das Tier Unheil ab und bringt Glück. Ursprünglich wurde der steinerne Löwe als Wächter vor Mausoleen gesetzt, später kam die Rolle als Torwächter hinzu.

Außerdem können steinerne Löwen Unheil und Katastrophen voraussagen. Vor Überschwemmungen oder Erdbeben sollten Überlieferungen zufolge die Augen der steinernen Löwen rot werden bzw. bluten, um die Menschen vor Gefahr zu warnen.

Nicht zuletzt gilt der Löwe als Symbol für Macht und sozialen Rang. Im Altertum standen steinerne Löwen als Wächter am Eingang von Palästen, Ämtern und kaiserlichen Residenzen, um Macht und soziale Stellung des Besitzers zu demonstrieren. Am mächtigsten erscheinen in Beijing die beiden Löwenpaare am Tor des Himmlischen Friedens.

Grundsätzlich gelten steinerne Löwen als unentbehrlicher Dekorationsartikel in der traditionellen chinesischen Architektur.

In China wird im Einklang mit der Yin-Yang Lehre "links" als männlich (Yang) und "rechts" als weiblich (Yin) angesehen. Dies spiegelt sich auch beim Anbringen der steinernen Löwen als Torwächter wider.

Wer das Löwenpaar genau betrachtet, sieht, dass beide Tiere etwas unter ihrer Tatze haben. Der männliche Löwe auf der linken Seite rollt eine Kugel unter seiner rechten Tatze, das symbolisiert Macht und Autorität. Die Löwin auf der rechten Seite herzt ein Junges unter ihrer linken Tatze, das die Fortführung der Sippe versinnbildlicht.

Am bekanntesten sind die steinernen Löwen auf der Lugou-Brücke, die 15km südwestlich der Stadt Beijing liegt. Die Lugou-Brücke ist Beijings älteste steinerne Bogenbrücke, die den Fluss Yongding über-

spannt. Auch der italienische Reisende Marco Polo hat die Brücke in seinen Reisebericht erwähnt.

"Lugou Xiaoyue" (Die Mondszene an der Lugou-Brücke) ist eine der acht schönsten Ansichten des Alten Beijing.

Die steinernen Geländerteile der Brücke aus der Jin-Dynastie (12–13. Jahrhundert) tragen steinerne Löwenfiguren. Die fein ausgearbeiteten Löwenfiguren sind von ihrer Größe und Gestalt her unterschiedlich. Die genaue Anzahl der Löwen ist schwer zu bestimmen, denn neben und auf den großen Löwen sitzen zahlreiche kleinere Löwenfiguren von oft nur wenigen Zentimetern Größe.