Bereits die Mode der Tang-Dynastie hätte Seiten des Fashion-Magazins Vogue gefüllt. 618 bis 907 n. Chr. war die damalige chinesische Hauptstadt Xi'an, einst Chang'an genannt, nicht nur Zentrum der Macht, sondern auch Mittelpunkt neuer Modekreationen. Man gab sich offen und tolerant…
Im Historischen Museum von Shaanxi begegnen Besucher einer Keramik-Schönheit aus der Tang-Dynastie mit hochgestecktem Haar, in ein zartgrünes Kleid, halbärmelig besticktes Hemd und spitzenverzierte Stoffschuhe gekleidet. In ihrer linken Hand hält sie einen Bronzespiegel, während ihre rechte Hand scheinbar Richtung Stirn wandert, um ihr Make-up zu richten. Mit ihrem eleganten und graziösen Antlitz verweist die 40 Zentimeter große Statue auf das ausgeprägte Modebewusstsein der Frauen während der Zeit der Tang-Dynastie zwischen 618 und 907 n. Chr.
Yang Jin, Angestellte des Historischen Museums von Shaanxi, erklärt, die Keramik-Schönheit wäre im Jahr 1956 in einem Grab der Tang-Dynastie im Osten von Xi'an entdeckt worden.
„Unter den Keramik-Frauenfiguren, die wir bisher entdeckt haben, sind solche mit einem Spiegel in der Hand eher selten. Deshalb war sie bestimmt keine einfache Dienerin."
Heute kaum vorstellbar, doch wahr. Während die heutigen Fashion-Metropole New York die Heimat der Indianer darstellte, war Xi'an, damals Chang'an genannt, als Hauptstadt der Tang-Dynastie bereits zu einem Zentrum für Mode aufgestiegen. Hier entstanden Modeströmungen, die sich rasant innerhalb des Landes und sogar im Ausland verbreiteten. Die Museumsangestellte Yang Jin stellt sogar einen Vergleich zum heutigen Modezeitalter an.
„Die Tang-Dynastie war im Hinblick auf die Mode von heute gar nicht viel rückständiger. Zum Beispiel existierte zur Tang-Zeit bereits der derzeit populäre Mode-Mix. So trugen die Frauen persische Kleider und dazu Accessoires der Uiguren, was heute in Malereien zu sehen ist."
Die Mode gilt auch immer als Spiegel des politischen Klimas einer Gesellschaft. Es waren die große Staatsmacht, die offene Gesellschaft und die vielfältigen kulturellen Strömungen, aus denen die vielfältige Mode der Tang-Dynastie hervorging. Doch was waren die Besonderheiten der damaligen Mode im Detail?
Der Stil der Kleider veränderte sich im Laufe der Tang-Dynastie immer wieder: Zu Beginn war die Kleidung lieblich, dem folgte in der Blütezeit ein freier, offener und prunkvoller Stil und zum Ende eine exquisite und extravagante Mode. Yang Jin verweist noch auf einige allgemeine charakteristische Elemente:
„Die Frauen trugen teilweise männlich geprägte Kleidung und Hu-Trachten. Auch das Kleid der Keramik-Frau ist sehr typisch. Es hat eine hohe Taille und ist tief dekolletiert."
Die Hu-Trachten waren die traditionelle Kleidung der damaligen nord- und westchinesischen Minderheiten. Die Trachten waren im Vergleich zu denen der Han-Nationalität in den zentralen Gebieten Chinas um einiges kürzer und hatten engere Ärmel. Nach Aussagen der Museumsangestellten Yang Jin ist die Beliebtheit der Hu-Kleider während der Tang-Dynastie auf die Öffnungspolitik der Zeit zurückzuführen.
„In der mächtigen Tang-Dynastie war der Außenhandel prosperierend. Die verschiedenen Hu-Trachten kamen vom Ausland und breiteten sich zunächst am kaiserlichen Hof aus. Die einfachen Leute ahmten die Mode dann nach. Damit wurden diese Kleider landesweit schnell populär."
Passend zu den dekolletierten Trachten kamen vielfältige Accessoires zum Einsatz. Das übertriebene Schminken wurde in der offenen gesellschaftlichen Atmosphäre modern, wie Yang Jin zu berichten weiß:
„Sie legten Puder und Rouge auf, bemalten ihre Lippen und klebten verschiedenförmige Goldblättchen zwischen ihre Augenbrauen. So sahen sie prächtig und elegant aus. Daneben gab es damals 20 bis 30 Arten von Haarknoten, die man mit vielem goldenem oder silbernem Schmuck dekorierte. Das ganze Outfit wirkte sehr beeindruckend."
Ruhig sitzt die Keramik-Frauenfigur heute in der Museumshalle und bietet den Besuchern die Chance, auf eine Mode-Epoche und eine gesellschaftliche Strömung von vor über tausend Jahren zurückzublicken. Yang Jin sagt dazu:
„Die damaligen Mode-Kreationen entsprechen dem heutigen Zeitgeist. Sie reflektieren Toleranz und Offenheit. Die Menschen der Tang-Dynastie lernten mit Neugier neuartige Dinge kennen und setzten diese für sich um. Dies zeigt die Zuversicht der Menschen. Diese Keramik-Frauenfigur sieht fröhlich und glücklich aus und spiegelt die Dynamik dieses blühenden Zeitalters der Tang-Dynastie wider. Dies spornt uns an und hat auch deshalb heute eine Bedeutung."