Wir über uns Kontakt Jobs Fragen? Archiv
Jiaozi – Kulinarisches Teamwork zum Neujahrsfest
  2012-01-20 16:20:48  cri

Also gut, ich gebe es zu: was Kochen betrifft, bin ich eher eine Niete. Bisher reichte es zum Erhitzen einer Suppe, zum Aufwärmen von Weißwürsten oder zum Belegen eines Wurstbrotes – wenn man denn das alles als Kochen bezeichnen kann, ich bezweifle es. Andererseits esse ich gerne, und gerade in China ist dies ja ein großes Thema und ein großes Vergnügen, sieht man vielleicht mal von einigen kulinarischen Herausforderungen ab. Ein Bekannter sagte sogar vor kurzem zu mir, nicht die Sprache und die Schrift seien der Schlüssel zu China, nein, das Essen und damit auch das Kochen seien das Zentrum der chinesischen Kultur!

Starke Worte, mag manch einer sagen, und doch, der Ausspruch machte mich neugierig, und nach etwas Überwindung habe ich mich dann schließlich dazu entschlossen, einen Kochkurs zu besuchen! Und was soll ich im Nachhinein sagen: was für ein Genuß!

Als Anfänger ist man natürlich beim Kochen wie fast überall auf Hilfe angewiesen, und so habe ich mich an die Jungs und Mädels von „The Hutong" gewandt. „The Hutong" versteht sich als Zentrum zum kulturellen Austausch, dementsprechend werden die verschiedensten Kurse angeboten, Taiji zum Beispiel, Teekunde, traditionelles Knotenknüpfen oder auch Kalligraphie. Das Zentrum liegt im „alten Beijing", etwas versteckt in einem verwinkelten Hutong und liebevoll eingerichtet in einem traditionellen Wohnhaus mit Innenhof und Dachterrasse. Gegründet wurde die Einrichtung von zwei Australiern, Stacey Shine and Mark Thirlwall, und mittlerweile arbeitet dort ein junges, internationales und engagiertes Team. Dazu gehört auch Sophia Du. Die quirlige Mittzwanzigerin, die ursprünglich aus der Inneren Mongolei stammt, ist seit dreieinhalb Jahren mit bei „The Hutong" an Bord und seit einiger Zeit zuständig für das Programm der Organisation – zusätzlich zu ihren Aufgaben als Küchenchefin. Sophia sollte es also zukommen, mich in die „Geheimnisse" des Kochens einzuführen und mir etwas über die chinesische Küche im Speziellen zu vermitteln. Sie hatte ein hartes Stück Arbeit zu leisten mit mir, aber am Ende ging ich dann doch mit vollem Magen und einem Lächeln im Gesicht nach Hause, also gleich an dieser Stelle: Danke, Sophia! Was es Feines gab? Jiaozi, das sind chinesische Teigtaschen, gefüllt mit Fleisch oder Gemüse und dann gekocht beziehungsweise in der Pfanne gebraten. Mit mir waren noch elf weitere Kursteilnehmer am Start, und das war auch ganz gut so, denn Sophia betonte gleich zu Beginn:

"Jiaozi machen ist Teamwork, denn es erfordert viel Arbeit und ist sehr zeitintensiv. Ich würde es nie alleine machen; man muss viel vorbereiten und klein schneiden… Das alles ist alleine nicht sehr produktiv, also – Teamwork."

Teamwork, gerne. Mir persönlich war das gerade recht, denn so fiel es weniger auf, dass ich wirklich keine Ahnung habe vom Kochen, und gleichzeitig konnte ich sicher sein, dass ich nicht hungrig nach Hause gehen musste. Das „Team", das war in diesem Fall eine schöne Mischung aus jüngeren und älteren Teilnehmern: US-Amerikanerinnen und Engländer, eine Französin, eine Chinesin und neben mir noch drei Deutsche. Dorothée und Bernd Kadura aus Norddeutschland verbrachten die Tage rund um Weihnachten auf Verwandtschaftsbesuch in Beijing und hatten dabei einen Gutschein für den knapp dreistündigen Kochkurs als Geschenk erhalten. Für sie war es quasi ein Familienerlebnis, und Frau Kadura hat das auch genau so erlebt:

"Ich kann mir so richtig vorstellen, wie das früher so war hier in den Hutongs; wie die Leute dann zusammengesessen haben, oder die Familien. Da gab`s ja kein Fernsehen und nix und gar nix, da hat man eine wunderbare Beschäftigung und es ist produktiv und man schwatzt zusammen und es ist total gesellig."

Spaß und Geselligkeit waren auch für Sophia wichtig, und trotzdem erklärte sie uns ausführlich und sehr informativ, wie zum Beispiel der Teig zubereitet, verrührt und gerollt werden muss. Oder welche Zutaten man für die Füllung verwenden kann: Glasnudeln etwa, Ingwer, Karotten, Spiegeleier, Pilze, Rettich und, je nach Geschmack, Rindfleisch oder Tofu. Erfreulicherweise waren all diese Zutaten bereits von der Küchenhilfe am Nachmittag zerkleinert worden, so dass unsere Gruppe nur noch je nach Lust und Laune die Füllung zusammenstellen und vermischen brauchte und dabei auch herrlich experimentieren konnte. Als nächstes wurde der Teig erneut ausgerollt, in gleiche Abschnitte geteilt und schließlich flach gepresst, so dass kleine, vielleicht Handteller große runde Fladen entstanden. Sophia gab dabei aus irgendeinem Grund gerade mir den Tip, wie das Messer, das ja in der chinesischen Küche einem kleinen Beil ähnelt, denn richtig zu halten sei:

"Lass den Zeigefinger und den Daumen frei, und stoppe einfach hier. Ist das nicht einfach? Es ist einfacher für Dich, das Messer zu kontrollieren."

Was dann folgte, war vielleicht der schwierigste Teil des ganzen Kurses, gut, zumindest für mich: es galt nun, mit einem kleinen Löffel die vorbereitete Füllung auf einen Teil des Fladens zu geben, diesen dann halbkreisförmig zu falten und anschließend den Teig am Ende links und rechts miteinander zu verbinden. Traditionell erinnert diese Form an einen Halbmond, wobei in unterschiedlichen Regionen des Landes auch unterschiedliche Techniken und Faltmöglichkeiten verwendet werden. Als Laowai und vor allem als Anfänger ist man aber an keine dieser „Regeln" gebunden, in meinem Fall habe ich es schon als Erfolg betrachtet, die Teigtaschen verschließen zu können, ohne zu viel von der Füllung zu verlieren. Bernd Kadura stellte sich da deutlich besser an, er lebte bereits in den 1980er Jahren einige Zeit in Sichuan und weiß daher auch genau um die Besonderheiten der chinesischen Küche:

"Es ist halt eine sehr arbeitsintensive Küche, aber es ist ja auch so in der Kultur. Man kann das ja deutlich unterscheiden, dass einige Völker eben ganz großen Wert auf eine sehr exquisite und – wie sagt man heute – „sophistizierte" Küche legen und andere gar nicht. Und die chinesische ist halt, es gibt ja viele Küchen in China, wie man weiß, ist eben eine Kultur, die darauf eben extrem viel Wert gelegt hat. Und das sieht man einfach. Es ist Hightech, wenn man so will, und gleichzeitig arbeitsintensiv."

Und Dorothée stimmte ihm dahingehend zu:

"Ich habe heute Abend noch einmal so gedacht: was da immer für eine Arbeit drinsteckt! Mein Gott, was die Menschen auch für eine Liebe ins Essen stecken, das ist ganz toll!"

Die Arbeit war zumindest für diesen Abend fast vollendet, es lag nun an Sophia, all die Teigtaschen in das kochende Wasser beziehungsweise in die Pfanne zu geben. Sollte einer der Hobbyköche wirklich noch keinen Hunger gehabt haben: beim Zuschauen, wie die Jiaozi langsam an die Oberfläche des kochenden Wassers trieben – das Zeichen dafür, dass die Füllung durch ist – oder wie sie in der Pfanne langsam eine leckere hellbraune Kruste bekamen, spätestens da lief uns allen das Wasser im Mund zusammen! Und endlich war es dann soweit: nach knapp drei Stunden vorbereiten, schnipseln, verrühren, mischen, kneten, rollen, und formen war es, ich muss es noch einmal betonen, ein wirklicher Genuß, die ersten „selbstgemachten" Jiaozi mit den Eßstäbchen zu fassen, an den Mund zu führen und dann hineinzubeißen! Und wie gut das schmeckte!

Das war nicht nur meine sicher nicht ganz objektive Meinung, haha, nein, auch der Dorothea hat es gemundet!

"Es ist sooo lecker! Und ich hab` mich hungrig gekocht!"

Nicht nur Dorothée und ich waren begeistert, auch den anderen Kursteilnehmern konnte man ihre Freude anerkennen, denn ein seliges Lächeln umschmeichelte ihren Mund, jedes Mal, wenn sie erneut in einen Jiaozi bissen.

Dass Jiaozi aber nicht nur gut schmecken, sondern auch einen besonderen kulturellen Hintergrund haben, dass erzählte uns Sophia schließlich noch am Schluß:

"Jiaozi ist ein ganz besonderes Essen in China. Als ich kleiner war, haben mir meine Eltern erzählt, man könne nur zum Neujahr Jiaozi haben. Heutzutage ist das anders, aber damals war Jiaozi ein teueres Gericht, besonders für arme Leute. Die Tradition aber ist ganz besonders: ganz egal, wie arm man früher auch gewesen sein mag, man musste früher (zum Neujahr) Jiaozi essen, und zwar wegen der Form der Jiaozi. Sie ähneln dem Geld, das früher benutzt wurde. Die Menschen haben also all ihre Wünsche in die Jiaozi „gelegt", etwa mehr Geld zu haben oder im nächsten Jahr mehr Glück zu haben. Auch wurden und werden bei der Zubereitung traditionell noch kleine Münzen in die Jiaozi gelegt, nicht in jede Teigtasche, nur einige wenige. Und diejenigen, die dann eine Teigtasche mit Münze erwischen, die haben dann doppeltes Glück im nächsten Jahr!"

Doppeltes Glück, wer will das nicht! Also nichts wie los, ran an den Teig, und viel Spaß beim kulinarischen Teamwork!

Text, Interview und Photos: Christoph Limbrunner

Sprecher: Christoph Limbrunner

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
Meistgelesene Artikel
• Keine Lebenszeichen vom gesunkenen indischen U-Boot
• Snowdens Vater erhält Visum für Russland
• Getötete Chinesen: Afghanistan bekundet Beileid
• Vermittlungsversuche in Ägypten gescheitert
• Gipfel abgesagt: Russland enttäuscht von USA
Fotos
Luxusausstellung 2013 in Beijing eröffnet
Fotoausstellung „Chinesischer Traum - Schönes China" in Brüssel
Wiederaufbau neuer Wohnhäuser nach Erdbeben in Min
Lujiagou: Ein neues Wohngebiet mit günstigen Lebens- und Verkehrsbedingungen
© China Radio International.CRI. All Rights Reserved.
16A Shijingshan Road, Beijing, China