Auch in der Tang-Dynastie gab es viele Chinesen, die nach Japan gereist sind. Der außergewöhnlichste unter ihnen ist der buddhistische Meister Jianzhen. Es ist 1.300 Jahre her, als Jianzhen ungeachtet der enormen Mühen über das Meer nach Japan übersetzte. Er kam, um den buddhistischen Glauben zu verbreiten. Aber er hat auch ungeheuer viel für den Kulturaustausch zwischen China und Japan getan. Er war ein außergewöhnlicher Mensch, von dessen Sorte es nicht mehr viele gibt.
Man schrieb das Jahr 688 und in China herrschte die Tang-Dynastie. In der Stadt Yangzhou in der Provinz Jiangsu kam in einer Familie von gläubigen Buddhisten ein Sohn auf die Welt. Bereits im Alter von 14 wurde dieser Junge als Jianzhen offiziell zum Mönch geschoren. In den folgenden 40 Jahren predigte er die buddhistische Lehre, ließ Tempel bauen und Statuen errichten. Mehr als 40.000 Menschen ließen sich durch Jianzhen zu buddhistischen Mönchen weihen. Jianzhen war einer der am meisten geachteten buddhistischen Meister seiner Zeit. Sein Ruf erreichte auch das entfernte Inselarchipel weit im Osten – Japan.
Im Jahr 743 kamen zwei japanische Mönche nach Yangzhou, um Jianzhen zu bitten, die buddhistische Lehre in Japan zu verbreiten. Jianzhen akzeptierte diese Einladung und begann sogleich, sich auf die Reise vorzubereiten. Er bestimmte 21 Schüler, die ihn begleiten sollten. Doch haben die örtlichen Behörden ein Veto eingelegt: die erste Japan-Reise scheiterte.
Einige Zeit später begann sich Jianzhen auf die zweite Reise vorzubereiten. Er kaufte ein Schiff und ließ Buddhastatuen, andere buddhistische Artikel, Medikamente und Nahrungsmittel laden. Mit einer Gefolgschaft aus 85 Mann stach er in die See. Doch unterwegs geriet das Schiff in einen Sturm und musste zurückkehren. Nachdem man erneut aufbrach, lief das Schiff auf eine Klippe. So scheiterten auch die zweite und die dritte Japan-Reise des buddhistischen Meisters.
Doch trotz der Misserfolge verlor Jianzhen nie seine Zuversicht. 744 begann er die nächste Reise zu planen. Doch wieder haben die Behörden ihn an der Ausreise gehindert. Vier Jahre später war Jianzhen schon 61 Jahre alt. Dennoch brach er zum vierten Mal nach Japan auf. Sein Schiff geriet in einen Taifun und wurde weit in den Süden, zu der Insel Hainan, abgetrieben. Erst mit Mühe und Not gelang den tapferen Buddhisten die Rückkehr in das heimische Yangzhou.
Auch der nächste Versuch wurde ein Mißerfolg. Dieses Mal schmerzte die Niederlage besonders, weil zwei Schüler des Meisters auf der Reise gestorben sind. Und Jianzhen erblindete.
753 war Jianzhen schon 66 Jahre alt. Er war blind und hatte bereits fünf Fehlversuche hinter sich. Aber er ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Am 19. Oktober verließ er erneut Yangzhou und erreichte nun endlich Japan. Der japanische Kaiserhof in Nara war zu dieser Zeit eine buddhistische Hochburg. Deswegen wurde Jianzhen per kaiserlichen Dekret begrüßt und auch ohne Umschweife das Recht erteilt, im Land Mönchsweihen vorzunehmen.
Eigens für Jianzhen wurde der Tempel Keidaiji gebaut, den er leiten konnte. Und zwei Jahre später bekam der Mönch aus China den Titel Daisoto verliehen, also buddhistischer Großmeister. Solche Ehren waren in Japan einmalig. Später errichteten Jianzhen und seine Schüler den Tempel Toshoudai-ji, der noch heute besichtigt werden kann. Jianzhen, auf japanisch Ganjin, starb 763 im Alter von 76 Jahren und wurde in Japan beigesetzt.
Jianzhen hat nur zehn Jahre in Japan verbracht. Doch er hat in dieser kurzen Zeit viel für die Entwicklung der japanischen Kultur und des Austausches zwischen China und Japan geleistet. Seine Japanreise fand in einer Zeit statt, in der die chinesische Kultur unter der Tang-Dynastie blühte und gedeihte. Mit sich nach Japan nahm Jianzhen geschickte chinesische Handwerker für Stickerei, Malerei und Jadeschnitzerei. Sie brachten gemalte und gestickte Porträts, Jadesteine, Bronzespiegel und viele kostbare Kunstgegenstände und Kalligraphien mit sich. Die chinesische Kunst, die Jianzhen nach Japan brachte, wurde zu einem Bestandteil der japanischen Tenpyo-Kultur.
Der Kern der Tenpyo-Kultur ist der Buddhismus. Jianzhens größter Beitrag liegt in der Verbreitung dieser Religion. Er war der Begründer der japanischen Risshu-Schule, die besonderen Wert auf die Verhaltensregeln von Mönchen legt. Der Tempel Toshoudai-ji, der von Jianzhen gebaut wurde, wurde zu einem Musterbeispiel für buddhistische Klöster in Japan. Auch in der bildenden Kunst gab es Neuerungen. Buddhastatuen im realistischen Stil kamen nun zu den traditionellen japanischen Werken aus Bronze oder Holz hinzu. Man begann auch mit Lack zu arbeiten – eine Technik, die bis dato in Japan unbekannt war. Sogar die Statue von Jianzhen, die nach seinem Tod errichtet wurde, war in diesem Stil gemacht.
Außer Kunst brachte Jianzhen auch das Wissen um die Heilung von Krankheiten mit. Er soll sogar höchst persönlich und mit Erfolg die Mutter des japanischen Kaisers behandelt haben.
Für viele sind die Jahre, die Jianzhen in Japan verbracht hatte, ein Ausdruck der Freundschaft und tiefen Verbundenheit zwischen Japan und China. Auch heute soll sein Beispiel ein Vorbild für die enge Verbundenheit zwischen den beiden Völkern sein.
Übersetzt und gesprochen von Qiu Jing