Neben französischen Villen waren Shikumen prägend für den Stadteil. Die "steinerne Tore", so die wörtliche Übersetzung, sind zwei- oder dreistöckige Wohnhäuser, die in einer Mischung aus westlichen und chinesischen Architekturstilen erbaut wurden. In zwei solchen, einander sehr ähnlichen, Shikumen fand der erste und der zweite Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas statt. Heute sind beide Häuser Museen. Volle Busladungen von uniformierten Polizisten und Armeeangehörigen oder Senioren aus der Provinz werden hier wie dort von einem Metalldetektor und einer großen Halle mit der roten Fahne begrüßt. Adrett gekleidete Museumsführerinnen tragen den gut gelernten Text klar und deutlich und ohne einen einzigen Versprecher vor.
Sie erzählen von der Vierten-Mai-Bewegung, imperialistischen Agressoren und dem Leid der einfachen Bevölkerung. Und über die allesamt sehr jungen, radikalen Intellektuellen, die nach Wegen suchten, um ihr Land aus der Krise zu führen. Mithilfe von Komintern-Kommissaren gründeten sie schließlich die Kommunistische Partei, die nach dem Vorbild der Bolschewiki in der Sowjetunion ein neues China schaffen sollte.
Manche der Mitglieder haben kurze Zeit später die Partei verlassen und sich anderen radikalen Strömungen angeschlossen oder sind ganz in das oppositionelle Lager gewechselt. Manche wurden von skrupellosen Warlords hingerichtet. Und wieder andere blieben bis zum Schluss in den höchsten Rängen der Partei.
Wie auch immer ihr Schicksal gewesen sein mag, es wäre interessant zu erfahren, wie sie über das neue Shanghai mit seinen edlen Boutiquen, über die Dächer führenden Hochstraßen und Geschäften für Rolls-Royce-Limousinen denken würden.
Jörg Pensin