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In China isst man keinen Käse? Liu Yang ist der „Fromager de Pékin"
  2011-06-08 09:55:59  cri
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Die Chinesen sind nicht gerade dafür bekannt, besondere Käse-Liebhaber zu sein. Die Suche nach echtem Gouda, Camenbert oder Blauschimmel bleibt in chinesischen Supermärkten meist erfolglos. Neben Scheibletten gibt es zwar ein paar eigene Käse-Sorten, diese können sich aber nicht wirklich mit den Beispielen aus Europa messen. Sicher gibt es Importware, aber die schmeckt dann auch so, als hätte sie eine lange Reise hinter sich. Liu Yang hat sechs Jahre in Frankreich gelebt und ist dort erst zum Käse-Fan und dann zum Käse-Meister geworden. Marie Bollrich hat den „Fromager de Pékin" in seinem kleinen Betrieb in Beijing getroffen:

So wie der Europäer nicht gern an Hühnerfüßen knabbert, fällt es dem Chinesen schwer, einen kulinarischen Zugang zu Blauschimmel zu finden. Die Chinesen essen keinen Käse – so zumindest das Klischee. Bei einem Blick in die Käsetheke chinesischer Supermärkte erhärtet sich der Verdacht: Neben unzähligen Scheibletten-Marken finden sich gerade einmal zwei, drei landeseigene Käsesorten. Dabei ist der Geschmack ähnlich wie das Aussehen und der Geruch: eher blass.

Ein wirklich guter Käse muss stinken, würde der fortgeschrittene Käse-Fan sagen. Für den Anfänger reicht vielleicht schon ein würziges Aroma. Käse ist Leidenschaft und das geht über Länder- und Kulturgrenzen hinaus. Liu Yang hat seine Liebe zum Käse vor vielen Jahren entdeckt, und zwar 2001 auf Korsika. Sein französischer Nachbar, ein korsischer Käser, hat ihn in die Welt des Fromage eingeführt und diese hat den jungen Mann dann nicht mehr losgelassen. Der ursprüngliche Grund für seinen Europa-Aufenthalt war allerdings ein anderer:

„Anfangs wollte ich dort studieren und danach hier einen Job finden. Aber nachdem ich sechs Jahre dort lebte, wollte ich etwas Praktisches tun: Also dachte ich, warum nicht Käse machen. (...) Nach meinem Studium habe ich in einer Käserei-Schule ein Jahr lang Käseherstellung gelernt."

Die Basics hatte ihm bereits sein Nachbar gezeigt. Die hätten für einen eigenen Laden aber nicht ausgereicht. Als einziger ausländischer Schüler in der französischen Käserei-Schule fiel Liu Yang natürlich auf – zum Positiven. Alle Auszubildenden kamen aus alten Käser-Generationen und griffen dem interessierten Chinesen kräftig unter die Arme. Nach seiner Rückkehr hat der chinesische Käser erst einmal in seiner eigenen Küche herumprobiert. Seit Mai 2009 nennt er sich und seinen kleinen Betrieb offiziell „Fromager de Pékin". Liu Yang und seine drei Mitarbeiter machen alles selbst und zwar mit Equipment aus Frankreich und nach französischem Originalkonzept. Das funktioniert nur zum Teil, da die Voraussetzungen hier eben anders sind. Die Milch kommt von der chinesischen Kuh, die Bakterien stammen aus Frankreich. Kuhmilch ist hier in China nicht so fetthaltig und außerdem recht teuer. Lius erster Käse war der Beijing Gris – seinen Namen bekam er aufgrund der Farbe. Mittlerweile hat der Käser die Rezeptur ein bisschen geändert – der Schimmel ist jetzt weiß, der Name blieb: Beijing Gris wird am meisten produziert und ist Liu Yangs absoluter Verkaufsschlager.

Für den Käsebetrieb musste anfangs viel investiert werden. Heute lohnt sich das Geschäft. 300 bis 400 Kilogramm Käse werden im Monat produziert und davon bleibt nichts im Regal. Verkauft wird per Online-Bestellung, auf Märkten und in ein paar kleinen Lädchen in der Stadt. Auch die großen Hotels statten sich mit Liu Yangs chinesisch-französischen Kreationen aus. Sein Sortiment ist beeindruckend. Ein kleiner Ausschnitt:

„Hier in der Mitte ist der Beijing Gris. Das ist ein Weichkäse, den ich am Anfang gemacht habe. Und das ist Crottin, im Chinesischen heißt das Yangzhiqiu. Er wird aus Kuhmilch, aber mit Lab aus dem Ziegenmagen hergestellt. Deshalb schmeckt er so zart wie aus Ziegenmilch, aber ohne den üblen Geruch. Dieser hier heißt Pyramide – auch mit Lab aus dem Ziegenmagen. Und dieser heißt Buchette. Diese drei Käsesorten sind ähnlich. Das hier ist Hartkäse, er heißt Tomme, auf Chinesisch Duomu. Die Reifung dauert drei Monate. Und das ist Beijing Bleu, der blaue Teil in der Mitte ist Edelschimmel."

Warum gibt es im Land der unzähligen Geschmacksvariationen kaum Anerkennung für Käse? Am Geruch kann die mangelnde Begeisterung eigentlich nicht liegen, denn die chinesische Küche bringt nicht nur wohlriechende Köstlichkeiten zu Tage. Einen Stand mit „Chou Doufu", also Stinke-Tofu, riecht man beispielsweise schon auf 500 Meter gegen den Wind. Und auch diverse Innereien-Gerichte bringen die europäische Nase und damit auch den Magen an Belastungsgrenzen. Ist es vielleicht die Laktose-Intoleranz, mit der die asiatische Bevölkerung zu kämpfen hat? Beim Anblick der großen Milch-Kampagnen fällt es schwer, an eine alle umfassende Milchzuckerunverträglichkeit zu glauben. Angeblich fehlt dem Chinesen ja auch ein Enzym zum Alkoholabbau – aber zu einem oder zwei Baijiu-Schnäpsen in geselliger Runde sagt keiner nein – im Gegenteil, das gehört regelrecht dazu. Der 37-jährige Käsemeister spricht von einem Prozess:

„Das ist eine Frage der Gewohnheit. Ich finde, dass sich die Einführung von Käse in China noch in einer Anfangsphase befindet. Es besteht aber eine große Perspektive. Die Chinesen können alles annehmen, was gut ist. Sie sind sehr offen, vor allem für Essen. Käse hat keinen Alkohohl oder Koffein und dient der Gesundheit – China ist also ein guter Markt."

Vielleicht gibt es hier in ein paar Jahren dann neben den muffigen Tofu-Scheiben am Spieß auch gebackenen Camenbert. Liu Yang ist sehr geduldig und würde gerne expandieren – der Qualität zuliebe:

„Ich hätte für die Käseproduktion auch gern eigenes Weideland. So hätte ich eine eigene Milch-Quelle, vor allem für die Schafs- und Ziegenmilch. Damit könnte ich die Milch-Qualität garantieren. Ich finde, anstatt den Geschmack an die chinesischen Kunden anzupassen, sollten wir sie lieber an den Geschmack von richtigem Käse gewöhnen. Die chinesischen Kunden können französischen Käse annehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Alle Produkte schnell verkaufen, von allen Kunden akzeptiert werden und die Investitionen schnell zurückbekommen – an sowas glaube ich nicht."

Wenn Sie den Fromager de Pékin einmal selbst besuchen möchten, nehmen Sie am besten die U-Bahn-Linie 13 nach Huilongguan in den Norden der chinesischen Hauptstadt. Von dort sind es noch gute zehn Minuten zu Fuß in die Long Teng Straße Nummer 5A-6. Geöffnet ist außer montags und mittwochs von 9 bis 12 und 14 bis 18 Uhr. Bald soll es dort auch eine Art Café geben – mit einer Auswahl an Rotweinen und natürlich jede Menge Käse.

Text von Marie Bollrich

Gesprochen von Marie Bollrich

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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