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Verständnis und Respekt: 40 Jahre Liebesgeschichte in einer deutsch-chinesischen Familie
  2010-12-30 10:06:18  cri
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Liebe auf den ersten Blick: In den 70er Jahren verliebte sich ein junges deutsches Mädchen in einen chinesischen Dozenten. Der Mann mittleren Alters hatte bis dahin einen abenteuerlichen Lebensweg zurückgelegt. Unsere heutige Sendung widmen wir dem Ehepaar Petra Häring-Kuan und Dr. Kuan Yu Chien. Die Beiden können ruhig als Kulturbotschafter und Zeugen der Beziehungen zwischen China und Deutschland verstanden werden. Gleich werden wir sie in ihren Häusern in Shanghai und Hamburg besuchen und uns anhören, was die beiden zu erzählen haben.

(Klopfen an der Tür)

Das Haus von Dr. Kuan Yu Chien befindet sich in einer von Wutong-Bäumen gesäumten Gasse im historischen Teil Shanghais. Als wir den Pförtner um Auskunft bitten, fällt ihm die Wohnungsnummer von Herr Kuan sofort ein. Wir klopfen an die Tür, und wenige Sekunden später erscheint uns der Hausherr – ein weißhaariger alter Mann mit einem herzhaften Lachen. Die Zimmer sind im chinesischen Stil gehalten, mit hölzernen Fenstergittern, Kalligraphien, Tuschmalereien und Buddhafiguren dekoriert. Aber auch ein Klavier und ein großer Teddybär finden ihren Platz. Überall spiegelt sich der transnationale Charakter der Familie wieder.

Dr. Kuan Yu Chien, der während der Kulturrevolution aus China geflohen ist, fand 1970 in Hamburg eine neue Heimat. Im selben Jahr lernte er bei einer Party die 20jährige Petra Häring kennen, sieben Jahre später läuteten für beide die Hochzeitglocken. In den darauf folgenden 30 Jahren verband die beiden eine besondere Leidenschaft: Das Bücherschreiben. Ihr Stammthema: chinesische und europäische Kultur. Von seiner Ehefrau schwärmt Dr. Kuan in höchsten Tönen: „Wir sind nicht nur ein Paar. Ich würde sagen, sie ist meine Frau, sie ist meine Freundin, sie ist meine Lehrerin und sie ist auch meine Mitarbeiterin. Wir haben gemeinsames Interesse: wir schreiben zusammen Bücher. Solche Zusammenarbeit hat uns unheimlich viel gebracht. Wieso die Beziehungen zwischen meiner Frau und mir so gut sind? Weil wir die beiden Kulturen akzeptieren, und versuchen, die Kulturen in das Leben unserer Familie zu bringen."

Nur zwei Tage nach jener Party wurden Petra und Kuan ein Paar. Und trotz dem großen Druck ihrer Familie hat sie ihren Entschluss nie zurückgenommen. Unter dem Einfluss ihres Partners wechselte die junge Hamburgerin von Medizin zu Sinologie. In ihrem Haus direkt am Ufer des Alstersees in Hamburg – dem „Fangcao Lu", auf Deutsch etwa „Hof duftender Kräuter" – erinnert sich Petra voller Gelassenheit an die Anfangszeiten ihrer großen Liebe. Und das in einem einwandfreien Chinesisch: „Damals war ich gerade mal 20 Jahre alt. Ich war weder mit dem bisherigen Leben zufrieden, noch mit meiner Arbeit und sah keinen Ausweg. Dann traf ich ihn. Er unterstützte mich sehr und gab mir Kraft. Auf Deutsch sagen wir dazu Inspiration, Mut und Optimismus. Mit ihm an meiner Seite hatte ich immer das Gefühl, alles erreichen zu können, was ich mir nur wünsche."

1975 betrat Petra zum ersten Mal den chinesischen Boden. Es war der Beginn ihrer Erkundung des großen, unbekannten Landes. Vielleicht wegen ihrer ersten Studienwahl hat es ihr die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) besonders angetan. Sie absolvierte zahlreiche Praktika in Deutschland und in Krankenhäusern in Beijing, Nanjing und Chengdu. Die Mühe hat sich gelohnt: Sie ist eine Expertin in Akupunktur und der chinesischen Massage Tuina geworden. „Ohne Yu Chien wäre ich nie im Leben nach China gereist", so Petra.

Bislang hat das Paar insgesamt mehr als 20 Bücher herausgegeben, sieben davon sind gemeinsame Projekte. Zum Beispiel „Die Langnasen", in dem Petra und Kuan 120 unterschiedliche Deutsche und Chinesen interviewt haben. Mit lebendigen und witzigen Beispielen wurde versucht, die Kulturunterschiede zwischen China und Deutschland offen zu legen und zu analysieren. Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist von diesem Buch so begeistert, dass er persönlich ein Vorwort dafür verfasste.

Im Oktober dieses Jahres reiste das Paar wieder nach Shanghai, um dort den Lesern die neu veröffentlichte chinesische Version von Petras Buch „Meine chinesische Familie" vorzustellen. Darin werden die Konflikte und Lösungen der unterschiedlichen Kulturen an kleinen Beispielen aus dem Alltagsleben anschaulich gemacht. Die Werbetrommel wurde des Weiteren in Beijing, Dalian und Tianjin gerührt. Und überall lösten die auf Chinesisch gehaltenen Vorträge ein lebhaftes Echo aus.

Das Leben von Dr. Kuan Yu Chien ist mit einem Abenteuerroman vergleichbar. Angefangen hat er als Russisch-Dolmetscher für chinesische Spitzenpolitiker, wurde später als Rechtsabweichler verurteilt und in den unwirtlichen chinesischen Nordwesten verbannt, bis er schließlich bei der Flucht während der Kulturrevolution sein Leben auf Spiel setzte.

Doch in seinem Herzen blieb er immer ein Patriot, der als Vermittler zwischen der westlichen und der chinesischen Kultur auftreten will. Die Vorträge und Kurse, das Schreiben von Büchern und Organisation von Veranstaltungen – das alles nimmt praktisch die gesamte Zeit von Dr. Kuan in Anspruch. So hat er im Oktober rund 200 Vertreter der chinesischen Kulturbranche und Presse im Rahmen der Veranstaltung „China Time" nach Hamburg geladen. Ebenfalls wurde ein Solo-Konzert für den 13jährigen chinesischen Klaviervirtuosen Niuniu organisiert. Für seinen unermüdlichen Einsatz für den Kulturaustausch zwischen China und Europa wurde er 2006 vom Hamburger Senat mit dem Orden für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet. Es ist das erste Mal seit seiner Gründung 1953, dass dieser Preis an einen Chinesen verliehen wurde.

Das Ehepaar Kuan gilt als Vorzeigevertreter für den nichtstaatlichen Kulturaustausch zwischen China und Deutschland. Doch auch auf der offiziellen Ebene sind Fortschritte festzustellen. Wu Hongbo, der chinesische Botschafter in Berlin, zur Situation in 2010: „In diesem Jahr fand die Veranstaltungsreihe „China Woche" gleichzeitig an 45 deutschen Hochschulen und Universitäten statt. Auch haben wir 200 deutsche Schülerinnen und Schüler nach China eingeladen. Trotz des kurzen Aufenthalts konnten sie dort tiefe Freundschaft mit ihren Gastfamilien schließen."

Und es können sich noch viele ähnliche Beispiele finden. Auf der Expo in Shanghai konnten sowohl der chinesische als auch der deutsche Pavillon mit einer großen Anzahl von Besuchern aus dem jeweils anderen Land rechnen. Am Tag der offenen Tür in der chinesischen Botschaft in Berlin schauten rund 500 einfache Deutsche vorbei. Sie bekamen eine Hausführung und ein Unterhaltungsprogramm mit Filmvorführungen geboten. Für den deutschen Botschafter in China, Dr. Michael Schaefer, ist ein verstärkter Austausch genau der richtige Weg für die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen: „Aber strategische Partnerschaft bedeutet eben nicht nur Wirtschaftsbeziehung, sondern bedeutet auch, dass wir uns gesellschaftlich auf allen Ebenen miteinander verknüpfen wollen. Und da gibt es eben auch eine Vision, das wir etwa im Bereich der Schulen, der Universitäten, der wissenschaftlichen Institutionen immer weiter zusammenrücken. Wir wollen mehr Jugend- und Schüleraustausch haben, wir wollen jetzt ein Netzwerk schaffen von jungen Führungseliten aus allen Bereichen des Landes, das wir deutsch-chinesische ‚Zukunftsbrücke' nennen."

Vergleicht man die deutsch-chinesischen Beziehungen mit einem Meer, so ist der neuerdings rege Kulturaustausch nur ein zusätzlicher Tropfen darin. Er ist zwar klein, doch reflektiert er auch die Gesamttendenz. So wird das bilaterale Handelsvolumen in diesem Jahr auf 130 Milliarden US-Dollar geschätzt – ein Rekord seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Ebenso hat man neue Kooperationsfelder erschlossen, etwa bei der Finanzaufsicht, Energieeffizienz, Umweltschutz und der Bekämpfung von Protektionismus. Auf politischer Ebene wurde das zweite chinesisch-deutsche Kommuniquè unterzeichnet, in dem die bilateralen Beziehungen auf eine völlig neue Ebene gestellt wurden – die strategische Partnerschaft.

„Lass das Herz für die Welt schlagen, lass eine Brücke zwischen den Menschen entstehen", so das eben eingespielte Lied. Das Ehepaar Kuan kann man als genau solche Brücke verstehen, eine Brücke, die China und Europa verbindet und nun seit über 40 Jahren allen Widerständen trotzt. Doch warum gibt es so wenige solche Menschen? Sind die Unterschiede in Hinblick auf Geschichte, Kultur, Gesellschaftssystem und Wertvorstellung wirklich so schwer zu überwinden? Ein guter Freund von Kuan Yu Chien, der Altbundeskanzler Helmut Schmidt, spricht das Problem ganz offen an: „In Wirklichkeit gibt es natürlich überall in der Welt das Gefühl, mein Land ist ganz anders, als du Ausländer es siehst und beschreibst. Das geht nicht nur euch Chinesen so, das geht auch den Franzosen so, dass geht auch den Deutschen so. Die Leute kennen sich gegenseitig auch gar nicht. Die Zahl der Menschen, die hier in Hamburg Chinesisch verstehen und sprechen können, ist ganz klein. Die Zahl der Chinesen, die Deutsch verstehen und sprechen können, ist wahrscheinlich noch kleiner."

Laut Helmut Schmidt, der gerade seinen 92. Geburstag gefeiert hat, kann es kein Land leisten, sich in Zeiten der ökonomischen und kulturellen Globarisierung von den anderen abzukoppeln. Doch sind die Regierungen oft nur an rein praktischen Aspekten interessiert, der Meinungsaustausch bleibt nur auf der Oberfläche. Das macht die Arbeit von Kuan Yu Chien so wertvoll.

Beim Interview plaudert Dr. Kuan häufig aus dem Nähkästchen. Wenn er schreibt, stellt ihm seine Frau immer eine Tasse Kaffee mit ein paar Keksen auf den Arbeitstisch. Zum Frühstück gibt es Hirsebrei und eingelegtes Salzgemüse, so wie er es mag. Und egal wie spät es ist, sitzen die beiden abends auf dem Sofa und unterhalten sich darüber, was sie während des Tages erlebt haben. Nach der Öffnung des Landes Ende der 70er reisten mehrere Verwandte und Freunde von Kuan Yu Chien nach Deutschland ein und lebten manchmal zwei oder drei Jahre mit den Kuan's unter einem Dach. Doch waren sie Petra immer willkommen. Auch haben Sie sich mit ihrem Ehemann nie über Geld gestritten. Es sind solche Erinnerungen, die einen besonderen Platz im Herzen von Dr. Kuan einnehmen.

Es ist diese Art von Toleranz, Verständnis und Sympathie, die ein harmonisches Zusammenleben von zwei ganz unterschiedlichen Kulturen ermöglichen.

Petra: „Man muss diese Unterschiede nicht unbedingt aufheben. Es ist gut, wenn jeder seine Eigenheiten behält, aber dass man sich zusammen ergänzt. Natürlich, wenn man so lange zusammenlebt, versteht man die andere Kultur immer besser. Aber das setzt auch voraus, dass man sich mit dieser anderen Kultur sehr genau auseinandersetzt, so wird das Verständnis immer tiefer."

Das war die Liebesgeschichte eines chinesisch-deutschen Ehepaars, die sich durch eine lange Zeit hindurch bewährt hat. Man kann sagen, dass in diesem Paar gewissermaßen auch das Verhältnis zwischen den beiden Ländern widerspiegelt. Das gilt sowohl für die letzten dreißig Jahre als auch für das vergangene Jahr. Der Respekt vor der anderen Kultur und das gleichzeitige Festhalten an der eigenen kann ein Leitmotiv sowohl in der Politik als auch bei einer interkulturellen Partnerschaft sein.

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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