Als Mark Williams den Matchball verschoss, endete das hochklassige Finale mit 10:6. Der Sieger warf dem 12 Jahre jüngeren Gegner einen anerkennenden Blick zu. Der Verlierer erwiderte ihn, indem er sein Snookerqueue ein wenig hochhob und lächelte. Ding fasste seine Leistung auf dem China Open zusammen:

O-Ton
„Im Großen und Ganzen habe ich auf dem China Open nicht schlecht gespielt. Es gab zwar Schwächphase, jedoch auch gute Spiele. Wichtig ist, dass ich während des Spiels immer meinen Kopf gebrauchte und Erfahrungen sammeln konnte. Ich weiss nicht, wie die Zukunft aussehen soll, aber ich werde immer mein Bestes tun."

Die hervorragenden Leistungen des jungen Spielers vor eigenem Publikum lassen sich durch die Niederlage im Finale nicht trüben. In den insgesamt fünf Runden des Turniers hat Ding 21 Breaks von über 50 Punkten gespielt. Mit diesem Vizemeistertitel erhielt Ding in der laufenden Saison die meisten Punkte von allen Snooker-Profis. Er stand dreimal im Endspiel der insgesamt sechs Weltranglisten-Turniere dieser Saison. Eine solch sensationelle Leistung hat in der internationalen Snooker-Geschichte ausschließlich der Weltmeister John Higgins vor vier Jahren erzielt. Kein Wunder, dass auch Gewinner Mark Williams voll des Lobes für seinen jüngeren Gegner war.

O-Ton
„Ding Junhui hat heute Abend sehr gut gespielt. Wenn er seine gute Form fortsetzen kann, wird er sehr wahrscheinlich die anstehende Weltmeisterschaft gewinnen. Neben John Higgins und Ronnie O´Sullivan ist er nun ein weiterer Favorit. Er hat gute Chancen!"

Das Snooker-Genie aus der ostchinesischen Provinz Jiangsu hat in seiner Karriere auch etliche Tiefs durchleben müssen. Im Finale des Wembley Masters 2007 wurde der damals 20jährige Ding vom Ronnie O´Sulliwan mit 10:3 regelrecht überrollt und konnte sich anschließend die Tränen nicht verbeißen. Der Titel „Wunderkind" und die wohl zu hohe Erwartung der Fans setzte den damaligen Teenager unter riesigen Druck, so dass er in den folgenden drei Jahren schwer aus der Krise herauskam. Er verlor oft entscheidende Punkte und konnte seine Stimmungsschwankungen nur schwer unter Kontrolle bringen. Glücklicherweise fand er sein Selbstvertrauen schließlich doch zurück. Aber das hat dem Snooker-Genie drei Jahre Zeit gekostet. In der laufenden Saison hat sich der junge Chinese stets stabil und reif präsentiert. Für Ding bedeutet diese Reife mehr Erfahrung, stabilere Form sowie innere Ruhe. Er selbst sagt dazu:

O-Ton
„Dass ich nun intensiver in die Spiele versinke, ist für mich die entscheidendste Veränderung. Im Spiel denke ich nun auch klarer. Wenn ich eine Chance bekomme, mache ich mir Gedanken über den gesamten Verlauf des Frames und führe dementsprechende Analysen durch."

Am 1. April feierte Ding seinen 23. Geburtstag. Auf der Pressekonferenz nach dem Sieg im Gruppenspiel gegen den Briten Mark Selby feierte das Geburtstagskind mit den anwesenden Journalisten.

O-Ton
„Heute ist ein besonderer Tag. Wir möchten Junhui die besten Glückwünsche zum Geburtstag aussprechen."

Obwohl Ding Junhui die Krönung vor eigenem Publikum verpasste, war sein Vater Ding Wenjun sehr zufrieden mit der Form seines Sohnes. Aber der strenge Vater sagte, er müsse Ding Junhui ständig daran erinnern, dass er seine Bestform noch lange nicht erreicht habe.

O-Ton
„Mit diesem Alter befindet er sich in einer steigenden Phase. Er wird immer besser und reifer. Ich glaube, er wird noch zwei bis drei Jahre brauchen, um das Spitzenniveau von John Higgins oder Stephen Hendry zu erreichen."

Übersetzt von: Zhu Liwen und Wolfgang Kuhn

Gesprochen von: Xiaolan und Wolfgang Kuhn