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Das Deutschlandbild der Chinesen – Im Gespräch mit Prof. Dr. Li Xuetao
  2009-10-10 11:11:21  cri
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J: Li Qian L: Li Xuetao

J: Herr Professor Doktor Li, können Sie sich uns bitte kurz vorstellen?

L: Ich selber habe in Marburg und in Bonn studiert. Meine Promotion schloss ich in Bonn ab. In Düsseldorf habe ich am Konfuzius-Institut als Direktor gearbeitet. Mein Aufenthalt in Deutschland dauerte insgesamt etwa acht Jahre. Aus beruflichen Gründen reise ich immer noch sehr oft zwischen China und Deutschland hin und her. Ich habe in all diesen Jahren eigene Erfahrungen sammeln können, die mein Deutschlandbild geprägt und ebenfalls meine eigene Identität beeinflusst haben.

J: An der diesjährigen Frankfurter Buchmesse wird Ihr neues Buch präsentiert. Worum geht es in diesem Buch eigentlich? Können Sie uns dieses Buch bitte etwas näher vorstellen?

L: Das Buch, das ich eben verfasst habe, heißt „Dein Bild in meinem Auge – Chinesische Deutschlandbilder im 20. Jahrhundert". Ich wollte aus gegebenem Anlass ein ganz besonderes Geschenk aus dem Gastland China zur Frankfurter Buchmesse 2009 mitbringen. Ich mache zum ersten Mal in diesem Umfang und mit reichhaltigen Erläuterungen versehen chinesische Bilder Deutschlands in deutscher Übersetzung zugänglich – also Fremdbilder.

Seit (Feng Zhi), der Gründervater der chinesischen Germanistik in den 1930er Jahren in Heidelberg und Berlin studierte, hat sich in beiden Ländern vieles verändert. Unter den Autoren der hier versammelten Beiträge gibt es berühmte Namen, die auch einer interessierten deutschsprachigen Leserschaft nicht ganz unbekannt sein dürften, wie etwa Wang Meng und Cong Weixi, aber auch weniger bekannte Namen – oft von Chinesen, die Deutschland nicht nur einmal bereist haben, sondern jahrelang im Land gelebt, studiert und gearbeitet haben. Nach der Rückkehr in ihre Heimat – oder sogar als sie noch in Deutschland waren, fühlten sie sich gedrängt, ihre Eindrücke niederzuschreiben und so über sie nachzudenken, um so ihre Landsleute daran teilhaben zu lassen.

Die Texte in „Dein Bild in meinem Auge", die auch sehr unterschiedliche Temperamente offenbaren, mal ein gelehrtes, mal ein literarisches, mal ein sentimentales oder persönliches, verbindet, dass sie als Fremdbilder Deutschlands oft überraschende, fast immer von unmissverständlicher Zuneigung getragene Wahrnehmungen des Landes zeigen, die oft auch nachdenklich stimmen müssen.

Es ist „Dein Bild in meinem Auge" zu wünschen, dass es einer deutschen Leserschaft durch den chinesischen Blick auf ihr Land dazu verhilft, sogar in ihrem Alltag zu entdecken, was ihr bisher immer entgangen war, und so auch etwas über das „andere Auge" zu erfahren.

J: Warum haben Sie das Buch geschrieben, Herr Professor Doktor Li?

L: Vor etwa einem halben Jahr kam mein ehemaliger Lehrer Doktor Peter Krumme aus Heidelberg nach Beijing. Wir tranken zusammen Kaffee und sprachen über die diesjährige Frankfurter Buchmesse im Oktober. Er war der Meinung, dass Deutsche wie Chinesen ein großes Interesse daran haben, wie sie von Ausländern gesehen werden. Es gebe bereits zahlreiche Bücher von Franzosen, Engländern und Holländern zu diesem Thema. Aber von Chinesen habe er solche Bücher in deutscher Sprache noch nicht gesehen. Er fragte mich, ob ich ein Buch mit dem Titel „Deutsche in den Augen der Chinesen" herausgeben könnte. Solch ein Buch würde bestimmt viele deutsche Leser finden.

Der Titel des Buches stammt von Wolfgang Kubins Band „Mein Bild in deinem Auge. Exotismus und Moderne. Deutschland und China im 20. Jahrhundert". Diesen Band hat Professor Kubin im Jahr 1995 in Darmstadt herausgegeben. Das war auch die Anregung zum Thema meines Buches.

J: Warum nehmen die Deutschen ihre Image-Frage so ernst?

L: Ich glaube, es gibt dafür drei Gründe: Erstens wurde Deutschland im Gegensatz zu den großen Kolonialmächten wie Großbritannien und Frankreich erst im Jahr 1871 ein Nationalstaat. Zweitens haben die deutschen Intellektuellen nach Deutschlands Niederlagen in den beiden Weltkriegen – vor allem nach dem letzten – über die negativen Folgen ihres geschichtlichen Erbes nachzudenken begonnen und sich vehement von der nationalsozialistischen Zeit und ihrer Hinterlassenschaft abgegrenzt. Drittens ist Deutschland nach der Wiedervereinigung politisch und wirtschaftlich ein noch bedeutenderes Land in Europa geworden, so dass die Image-Frage eine besondere Rolle spielt. Nach dem Regierungsumzug 1999 von Bonn nach Berlin fanden darüber öffentliche Debatten in deutschen Medien statt. In den Äußerungen von deutschen Intellektuellen und Politikern spürt man eine umsichtige Haltung.

J: Welches Bild von China haben die Deutschen Ihrer Meinung nach?

L: Ich meine, es gibt kein allgemeines Chinabild von den Deutschen. Ich sage immer, Deutschland ist eine postmoderne Gesellschaft; nämlich die Massenmedien spielen für die meisten Intellektuellen eine begrenzte Rolle. China ist wieder anders. Das heißt, viele Intellektuelle kriegen ihre Informationen aus ihren eigenen Kanälen oder Quellen. Immer mehr Leute sehen weniger fern. Zum Beispiel mein Lehrer Doktor Peter Krumme hat überhaupt keinen Fernseher zu Hause. Deshalb haben die meisten Deutschen ein anderes Chinabild als die Anderen. So würde ich sagen, ein allgemeines und dominierendes Chinabild gibt es in Deutschland nicht.

J: Der Austausch zwischen China und Deutschland nimmt immer mehr zu. In welchen Bereichen sollten China und Deutschland ihre Zusammenarbeit noch weiter verstärken?

L: Ich glaube in allen Bereichen. Vielleicht wissen Sie, im Jahr 1697 hat Gottfried Leibniz ein Buch herausgegeben mit dem Titel „Novissima Sinica", was soviel bedeutet wie „Das Neueste aus China". Leibniz hatte einen Briefwechsel mit ein paar Jesuiten. Im Vorwort von diesem Buch hat er gemeint, es gäbe zwei Europas: nämlich Europa in Europa und Europa im Osten, nämlich China. Nur durch die Ergänzung, nicht durch das anstatt oder anstelle des anderen, gibt es die Ganzheit der Menschheit. Ich sage immer, Europa ist keine Ganzheit der Menschheit. China ist auch keine Ganzheit der Menschheit. Nur China plus Europa plus der Rest der Welt bilden die Ganzheit der Menschheit. Deswegen brauchen wir immer die Koexistenz der unterschiedlichen Kulturen.

J: Was erwarten Sie von der Frankfurter Buchmesse?

L: Das ist wirklich eine sehr gute Plattform für den Kulturaustausch. Das ist auch ein Ausdruck der Koexistenz des Pluralismus in der Tradition der verschiedenen Kulturen.

J: Danke schön, Herr Professor Doktor Li.

L: Bitte sehr.

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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