Während der Fahrt nach Bailu sieht man auch etliche neue Häuser und immer wieder zahlreiche Baustellen am Wegesrand. Auf den Straßen drängen sich mit Baumaterialien beladenen LKWs aneinander vorbei. Ab und zu fallen einem auch noch einige Ruinen auf und an manchen Häusern kann man große Risse in den Wänden erkennen.
Nach 90minutiger Fahrt auf der sich dahinschlängelnden Landstrasse erscheint dann Bailu. Der Arzt Zhu Muzhao hat sein Haus in der Ortschaft. Er sagt, nach dem Erdbeben habe er über drei Monate in einem Zelt gewohnt aus Angst vor weitern Erdstößen. Sein Haus trug glücklicherweise nur kleinere Schäden davon, die er auch mit Regierungshilfe nach einigen Monaten recht günstig sanieren konnte. Doch bevor sich Zhu Muzhao um seine eigenen Verluste kümmerte, half er zunächst hunderten von Erdbebenopfern, die es weit schwerer getroffen hatte als ihn selbst. Insgesamt wurden über 20.000 Erdbeben-Patienten in seinem Krankenhaus behandelt.
Die Narben, die das Beben hinterlassen hat, sind in Bailu noch deutlich zu sehen. Eine alte sino-französische Brücke steht nur noch zur Hälfte da. Über sie liefen sonst hunderte von Kindern hinüber ans andere Ufer, um zur Schule zur gehen. Doch die ehemalige Mittelschule ist nur noch eine geisterhafte Erscheinung. Neben den beiden Hauptgebäuden liegen die Trümmer kleiner Anbauten. Die zum Teil handbreiten Risse im Schulhaus sind nicht zu übersehen. Im Schulhof haben sich Schollen von Asphalt übereinander geschoben. Doch auch hier wird emsig gearbeitet. Einige Arbeiter schlagen den Zement von den Ziegelsteinen, um sie wieder als Baumaterial zu verwenden. Dabei ist die Schule inzwischen eine Art Ausflugsziel geworden, das viele Menschen aus dem Umkreis anzieht. Sie wollen von erster Hand die Auswirkungen des Erdbebens sehen.
Neben dem Leben der Menschen hat das Erdbeben vom 12. Mai 2008 auch die Tierwelt oft mehr als einen Schrecken eingejagt. Die Panda Zucht- und Forschungsstation in Sichuan hatte auch mit dem Beben zu kämpfen. Glücklicherweise kamen bei der Katastrophe keine Tiere ums Leben, doch manche Bären erlitten psychische Traumata. Im Giant Panda Breeding Research Center in Chengdu hatte neben einigen kleineren Problemen mit Gebäuden und Anlagen ein weit größeres Problem. Seit dem Beben leidet das Zentrum an chronischem Geldmangel. Denn nach der Katastrophe sind die Besucherzahlen des Pandaparks um fast 50 Prozent zurückgegangen. Eintrittsgelder, die vor und hinten fehlen, trotz Regierungssubventionen. Doch der Geldmangel scheint die Pandas nicht wirklich zu stören. Denn die extrem niedlichen schwarzen-weiß Pandas leben in einer Welt, in der scheinbar nur eines zählt: ausreichend Bambus. Bis zu 100 Kilogramm kann ein großer Panda davon verdrücken. Streift man durch den großzügig angelegten Pandapark von Chengdu, dann kann man auch viele der knapp 80 Bären an den Bambusstangen knabbern sehen. Bambus wird es wohl auch in den nächsten etwa 90 Jahren in Hülle und Fülle geben. Richtig knapp wird der Nachschub, nur wenn Bambus zu blühen anfängt und Pflanze stirbt. Dies geschieht allerdings nur einmal in einhundert Jahren. Doch dann gleich überall auf der Welt.
Michael Koliska