Von Christoph Limbrunner
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Nicht nur die derzeit wirklich schattigen Minustemperaturen hier in Beijing weisen auf das bevorstehende Weihnachtsfest hin, vergangenes Wochenende etwa frierte das Thermometer bei minus zehn Grad Celsius fest, nein, auch viele Strassen, Einkaufspassagen und Gebäude in der chinesischen Hauptstadt sind weihnachtlich geschmückt. Der obligatorische Weihnachtsmann, angelehnt an die Gepflogenheiten in den USA, darf dabei natürlich nicht fehlen, aufgeklebt an Eingangstüren von Supermärkten, Friseursalons oder Souvenirgeschäften grüßt der weißbärtige Mann mit rotem Gewand und gemütlichem Bauch die Kunden beim Eintritt. Aber auch beleuchtete Christbäume mit bunten Weihnachtskugeln und blinkender Beleuchtung sollen vor allem in den Geschäftsvierteln und Einkaufsstrassen für vorweihnachtliche Stimmung sorgen. Die entsprechende Musik wird dabei selbstverständlich mitgeliefert, und nur wenn man genau hinhört, erkennt man, dass die Texte meist auf Chinesisch gesungen werden.
Für die entsprechende Dekoration in den eigenen vier Wänden bieten die zahlreichen Blumenmärkte in Beijing das passende Beiwerk. So kann man beispielsweise im Liangma-Blumenmarkt nahe dem Lufthansa Center bunten Christbaumschmuck, Lichterketten, verschiedene Kerzen, singende Weihnachtsmänner, beleuchtete Weihnachtsbäume, ja sogar kleine Eisbärenfiguren oder Rentiere beziehungsweise Rehkitze aus Pappe kaufen.
Daran erkennt man, dass die Verkitschung und Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes, an dem ja eigentlich der Geburt Christi gedacht werden soll, vom Westen aus kommend nun auch in China Einzug gehalten hat. Allerdings sind die Chinesen in gewisser Weise entschuldigt, entspringt dieses Fest ja bekanntermaßen dem christlichen Glauben, der in Ostasien eher weniger verbreitet ist und vielmehr in anderen Teilen der Welt seinen Großteil der Anhänger hat.
Das Interessante an dieser Tatsache aber ist Folgendes: in einem Land ohne weihnachtliche Tradition beherrscht der Weihnachtsmann, der dem christlichen Verständnis zufolge so in der Art überhaupt nicht existiert hat, dieses Märchenwesen beherrscht also die Adventszeit in den Strassen und Einkaufsvierteln von Beijing. Sicherlich, es bestehen, was den personifizierten Weihnachtsmann betrifft, gewisse Parallelen an das gedachte Aussehen des Heiligen Nikolaus, es soll nur auf den weißen Bart und den roten Umhang hingewiesen werden. Und diesem Nikolaus wird in der Tat am sechsten Dezember gedacht; nur handelt es sich bei diesem Heiligen um den Bischof Nikolaus von Myra, der in der ersten Hälfte des vierten Jahrhundert in Myra, dem heutigen Demre in der Provinz Antalya in der Türkei, gewirkt hat und nach christlichem Verständnis Schutzpatron der Seefahrer, Kaufleute, Schüler und Kinder ist. Mit Weihnachten, also dem Fest der Geburt Christi, hat aber auch der Heilige Nikolaus nichts zu tun, und schon gar nicht der Weihnachtsmann, dessen Ursprung von manchen sogar der Werbeindustrie zugesprochen wird.
Vielmehr beschert das Christkind in seiner Funktion als Gabenbringer zu Weihnachten, in seiner ursprünglichen Weise vor allem den Kindern, verschiedene Geschenke, daher auch der Begriff "Bescherung". Dieser Ursprung der Feierlichkeiten und Traditionen rund um das Weihnachtsfest wurde ganz offensichtlich schon vor einiger Zeit in vielen Heimatländern des christlichen Glaubens vernachlässigt, die Übernahme der neu entstandenen Formen des Begehens dieses bedeutenden Festes soll also keineswegs ein Vorwurf an andere, andersgläubige oder andersgestaltete Kulturen sein. Wichtig ist vielmehr, dass es den Menschen gefällt, sich gegenseitig kleine Geschenke zu übereichen, zusammen mit der Familie oder Freunden den Abend zu verbringen und gemütliche Stunden zu genießen, so gesehen ist die Weihnachtszeit in China nicht christlichen Ursprungs, aber mit Sicherheit genauso schön und liebenswert wie in anderen Teilen der Welt.
Aber um noch einmal auf den Anfangsgedanken zurückzukommen:
in einem Land ohne weihnachtliche Tradition beherrscht der nicht belegbare oder traditionell gefestigte Weihnachtsmann Teile des Straßenbildes der Hauptstadt als Zeichen der Akzeptanz und Übernahme westlicher Gepflogenheiten der Weihnachtszeit. Eine interessante Tatsache und sicher ein Zeichen der Annäherung und des Zusammenwachsens der Kulturen.