Chinas Versicherungsbranche hat mittlerweile auch in den gewöhnlichen Haushalten Einzug gehalten, so dass auch Bauern in abgelegenen Gebirgsregionen von der Versicherungsbranche profitieren können.
Wie auf dem Börsenmarkt laufen die Reformen auch in anderen Bereichen der chinesischen Finanzbranche auf Hochtouren. Nehmen wir das Bankwesen als Beispiel. Die rasche wirtschaftliche Entwicklung und die immer größer und vielseitiger werdende Nachfrage auf dem Finanzmarkt haben den Bankensektor gezwungen, individuell maßgeschneiderte Dienstleistungen anzubieten. Der Service der chinesischen Banken wird ständig verbessert. Bis Ende 2007 haben 78 Finanzinstitute in China Geschäfte mit Privatkunden getätigt. Diese Zahl macht über 70 Prozent aller chinesischen Geldinstitute aus. Der Gesamtumsatz im Privatbanking hat mittlerweile 819 Milliarden Yuan RMB übertroffen. Das Geschäft mit Privatkunden wächst momentan so rasant, dass der Umsatz im ersten Quartal des laufenden Jahres bereits den Gesamtumsatz des Vorjahres übertroffen hat.
In einer Filiale der "Industrial and Commercial Bank of China", einer der größten Handelsbanken Chinas, stießen wir auf ein kurzfristiges Finanzprodukt für Privatkunden mit dem Namen "Lingtong-Express". Durch dieses Produkt wird einerseits die Liquidität sichergestellt, andererseits profitieren die Kunden dadurch von einem höheren Zins. Wenn ein Kunde über 50.000 Yuan RMB auf der Bank anlegt, erhält er einen höheren Zinssatz als bei einem Sparkonto. Zudem kann er den Abhebungstermin seines Geldes selber bestimmen. Laut Frau Zhao Na, einer Angestellten der "Industrial and Commercial Bank of China", ist das Produkt "Lingtong-Express" bei den Privatkunden sehr beliebt:
"Der Umsatz von „Lingtong-Express" macht schon über die Hälfte unserer Finanzgeschäfte mit Privatkunden aus, denn dieses Produkt eignet sich insbesondere für solche Kunden, die nach einer höheren Liquidität ihrer Gelder verlangen."
Für das chinesische Bankwesen stellte Chinas Beitritt in die Welthandelsorganisation (WTO) eine Chance zur Öffnung nach außen dar. Im Jahr 2007 erhielten ausländische Geldinstitute die Erlaubnis, ihr Bankkartengeschäft mit chinesischen Renminbi oder mit auswärtigen Währungen als Rechnungswährung in China abzuwickeln. Im April 2007 haben die vier ausländischen Banken "Standard Chartered", "HSBC", "Bank of East Asia" sowie "Citi-Bank" mit ihrem Geschäft in China begonnen. Sie wollen den chinesischen Kunden bessere Finanzdienstleistungen anbieten. Peter Sands, der Vorstandschef der britischen Bank "Standard Chartered", nimmt wie folgt Stellung zum Chinageschäft seines Unternehmens:
"Wir werden auf keinen Fall Schranken aufbauen. Wir möchten unseren Kunden in China individuell maßgeschneiderte Finanzdienstleistungen anbieten, so wie wir es auf der ganzen Welt auch machen."
Bis Ende 2007 ist es 21 ausländischen Kreditinstituten gestattet worden, das Renminbi- Geschäft in ihren Filialen in China einzuführen.
Umgekehrt sind nun auch Chinas Handelsbanken dabei, auf dem auswärtigen Markt rasch Fuß zu fassen. Die "Bank of China" hat schon relativ früh den Schritt ins Ausland gewagt. Momentan besitzt sie rund 600 Filialen in 28 Ländern und Regionen weltweit. Die "Industrial and Commercial Bank of China" hat vor kurzem eine Filiale im australischen Sydney eröffnet. In Kürze sollen weitere Filialen in Doha und New York folgen.
Die Versicherungsbranche ist ein ganz wichtiger Bestandteil der Finanzbranche. Vor 30 Jahren war das Wort "Versicherung" für die meisten Menschen in China noch ein Fremdwort. Im Zuge der Reform- und Öffnungspolitik hat sich jedoch auch die Versicherungsbranche ihren Weg in die chinesische Wirtschaft gebahnt. Auch im privaten Bereich befindet sie sich unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Immer mehr chinesische Familien beanspruchen Dienstleistungen von Versicherungen. Sowohl für die chinesische Gesellschaft und Wirtschaft als auch die chinesische Bevölkerung ist die Versicherung zu einem wichtigen Thema geworden.
Vor 30 Jahren gab es nur eine einzige Versicherungsgesellschaft in China.
Die Versicherungsbeiträge im ganzen Jahr betrugen bloß 460 Millionen Yuan RMB. Im Jahr 2007 gab es in China schon über 110 Versicherungsgesellschaften. Ihre gesamten Versicherungsbeiträge im Jahr 2007 übertrafen 700 Milliarden Yuan RMB.
Für die städtischen Bürger ist es nun ganz normal, Versicherungsverträge abzuschließen. Auch in den ländlichen Regionen wird das Versicherungsgeschäft immer gefragter. Für Bauern hat die chinesische Regierung ein spezielles, kostengünstiges Versicherungsangebot ausgearbeitet, das von der Regierung subventioniert wird. Dieses kostengünstige Versicherungsmodell hat sich bereits in mehreren ländlichen Provinzen bewährt. Mehr und mehr Bauern profitieren davon.
Liu Junyu ist ein Bauer im Stadtbezirk Daxing in Beijing. Im vergangenen Jahr züchtete er auf 0,3 Hektar Land Wassermelonen. Infolge eines Hagelschauers im Juni fiel seine Ernte jedoch schlecht aus. Dank seiner Versicherung erhielt er aber eine Entschädigung von 5.000 Yuan RMB, die seinen Ernteverlust nahezu deckt:
"Ohne die Hagelkatastrophe könnte ich auf einem Mu Feld, das einer Fläche von rund 0,06 Hektar entspricht, 3.000 Yuan RMB Gewinn erwirtschaften. Nach dem Hagelschauer hat die Versicherungsgesellschaft mir 1.000 Yuan RMB pro Mu gegeben. In diesem Jahr werde ich auf jedem Mu Feld noch 1.500 Yuan RMB erwirtschaften. In anderen Worten: mit Hilfe der Versicherung erwirtschafte ich 2.500 Yuan RMB pro Mu Feld. Mein Verlust beträgt bloß 500 Yuan RMB. Diesen Verlust kann ich verkraften."
Wie uns Liu Yunyu mitteilt, bezahlen die Bauern für jeden Hektar Ackerfläche nur einen Versicherungsbeitrag von 1,3 Yuan RMB. Die restlichen 80 Prozent der Versicherungssumme übernimmt die lokale Regierung. Der niedrige Beitrag hat die Aktivität der Bauern zur Teilnahme an der Versicherung drastisch erhöht.
Der Präsident der chinesischen Kommission zur Aufsicht und Verwaltung des Versicherungswesens, Wu Dingfu, erklärt, die zuständigen Behörden seien inzwischen dabei, die Agrarversicherung in mehr ländlichen Regionen durchzusetzen, damit sich mehr Bauern eine Versicherung leisten können:
"Gemäß den internationalen Erfahrungen und unseren eigenen Erfahrungen in den vergangenen Jahren muss die Agrarversicherung von der Regierung und von den zuständigen Behörden unterstützt werden. Unsere Aufsicht soll den Gewinn der Versicherungsgesellschaften im Bereich Agrarwirtschaft unter einem bestimmten Grenzwert halten. Unser Ziel ist es, die Agrarversicherung in mehr Gebieten zu verbreiten."
Wenn man die Entwicklung der chinesischen Finanzbranche in den vergangenen 30 Jahren betrachtet, darf man von sehr großen Fortschritten sprechen. Angesichts der rasanten Globalisierung des Finanzwesens auf der ganzen Welt, kommt die chinesische Finanzbranche nicht umhin, sich weiter zu verbessern. Beispielsweise ist die Vergabe von Krediten bei vielen Banken zu sehr auf einige Großkunden konzentriert, was mit einem hohen Risiko verbunden ist. Auch das interne System zur Verwaltung und Kontrolle muss noch vervollständigt werden. Die chinesische Versicherungsbranche sieht sich mit Kreditrisiken, Verwaltungsrisiken sowie mit Risiken von riesigen Katastrophen konfrontiert. Die chinesische Finanzbranche hat sich in die richtige Richtung entwickelt. Sie muss aber noch weiter reformiert werden und hat noch einen langen und beschwerlichen Weg vor sich.
Übersetzt von: Zhu Liwei
Gesprochen von: Lü Xiqian