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Interview mit Professor Dr. Dieter Lenzen
  2008-11-17 16:18:29  cri
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Liebe Hörer, kürzlich veranstaltete die Freie Universität Berlin in Beijing ein Treffen ehemaliger Studenten aus China. Das war überhaupt das erste China-Alumnitreffen der FU Berlin, an denen mindestens 100 chinesische Akademiker und Forscher teilnahmen. Damit will die Universität ein Zeichen setzen, die Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern zu verstärken. Am Rande des Treffens haben wir ein Gepräch mit dem Präsident der FU Berlin, Herrn Professor Dieter Lenzen, geführt. Hören Sie nun das Gespräch:

CRI: Das Büro der FU Berlin wurde bereits vor einem Jahr in Beijing eröffnet. Welche Ergebnisse wurden in diesem Zusammenhang dabei bisher erzielt und sind Sie generell zufrieden mit der Arbeit dieses Büros?

Lenzen: Ich glaube, es war eine gute Entscheidung, ein solches Büro zu eröffnen. Die ersten Monate waren natürlicherweise damit versehen, das Büro zu etablieren. Die Suche nach dem Alumni voranzutreiben, also denjenigen, die heute hier sind. Aber auch bereits erste Verbindungen zu etablieren, um künftig Angebote sowohl in der Lehre als auch in der gemeinsamen Forschung vermitteln zu können. Insofern ist das nur nochmal zu betonen. Ich glaube, dass dieses Büro ebenso wie die anderen, die die Freie Universität an anderen Stellen der Erde hat, eine vernünftige Entscheidung war.

CRI: Kürzlich hat die FU Berlin eine Kooperation mit dem China Scholarship Council (CSC) geschlossen. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus und welche Ziele verfolgen beide Seiten?

Lenzen: Für uns kommt es darauf an, dass wir sehr hoch qualifizierte Doktoranden für die Freie Universität finden, um bei uns promovieren zu können. Zu diesem Zwecke wird es hier in Kürze eine Info-Plattform innerhalb des Internets geben. Und wir wollen auf diese Weise schauen, dass wir die Arbeit intensivieren und dass wir chinesische Studenten auch für unsere Graduate-School gewinnen.

CRI: Können Sie bitte einmal die bisherigen Kontakte und den Austausch mit der chinesischen Seite zusammenfassen?

Lenzen: Also zunächst mal gibt es einen Austausch von Studierenden, insbesondere von chinesischen Studenten, die nach Deutschland kommen. Zum anderen gibt es im Bereich der Forschung einen Austausch und eine Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, beispielsweise in den Geo-Wissenschaften, die sich gemeinsam um die Zukunft der Energie kümmern. Das sind Wissenschaftler aus Nanjing zusammen mit unseren Geo-Wissenschaftlern. Desweiteren ist es so, dass wir eine Sommerschool anbieten, die sich mit verschiedenen Fragen der Internationalisierung beschäftigt. Die bietet auch Themen in China an. Besonderen Wert legen wir natürlich auf das ZDS, Zentrum für Deutschlandstudien an der Beida, wo acht Fachbereiche der Beida zusammenarbeiten.

CRI: Mit welchen chinesischen Universitäten pflegen Sie Partnerschaften?

Lenzen: In der vergangenen Zeit hat sich die Zahl der Universitäten, mit denen die Freie Universität zusammenarbeitet, durchaus erhöht. Das ist natürlich die Beida, das ist Fudan, das ist die Nanjing Universität, das ist die Lanzhou, die Sun Yat-sen, die Jiaotong Universität, die Agriculture University in Nanjing und die University of Hongkong.

CRI: Welchen Eindruck haben Sie von den Professoren, den Studenten und den Wissenschaftlern hier in China? Bestehen vielleicht Unterschiede in den Lernmethoden, in der Arbeitsauffassung oder in der Herangehensweise an gesetzte Ziele oder wissenschaftlichen Fragen?

Lenzen: Ich glaube, dass die Wissenschaft in China in einer sehr theorieorientierten Weise vermittelt wird. Das heißt, junge Studierende lernen sehr viel. Sie wissen sehr viel, das ist durchaus manchmal ein Unterschied zu europäischen Universitäten, wo der Fokus auf Selbstlernen liegt. Das bringt unter Umständen mit sich, dass die Praxisorientierung der Studien in Europa intensiver ist. Was ich aber gerade an den chinesischen Universitäten, aber auch an den Schulen schätze, ist die starke Orientierung, dass wirklich etwas gewusst werden muss, und nicht nur über Dinge geredet wird, von denen man nichts versteht.

CRI: Wie sehen Sie die Bedeutung der alten Philosophen wie etwa Konfuzius in Hinblick auf die Erziehung und die Ausbildung von jungen Menschen in der Gegenwart?

Lenzen: Ich glaube, dass alle Kulturen gut daran tun, sich ihrer Tradition zu besinnen, und zu schauen, was die Geschichte ihrer Philosophie zu bieten hat. Wir leben heute natürlich, unter dem Eindruck des Globalisierungsprozesses, sehr stark verwendungsorientiert. Das ist auch notwendig, weil wir ja dafür sorgen müssen, dass möglichst viele Menschen auf dieser Welt in den Genuss von Bildung kommen und damit auch die Chancen auf ein besseres Leben haben. Auf der anderen Seite, Konfuzius ist gerade ein Beispiel dafür, dass jemand hergeht, so ähnlich wie in der griechischen Philosophie, und sagt, das materielle Leben ist nicht alles, sondern die Orientierung an den Werten, die nicht materiell sind, ist von besonderer Bedeutung. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Leben endlich ist, muss man sich natürlich fragen, was man damit macht, ob man das Leben wirklich nur materiell führt, oder ob auch die reflexive Seite des Lebens eine besondere Bedeutung hat, die weder Geld kostet noch Geld bringt.

CRI: Gibt es, was eine philosophische Herangehensweise betrifft, noch immer diese Unterschiede in der Erziehung zwischen unseren Kulturen, als die Tradition von Konfuzius und Laotse in China und die Tradition der antiken Gelehrten wie Aristoteles und Sokrates beziehungsweise die der deutschen Philosophen wie etwa Immanuel Kant? Oder ist diese Tradition in Zeiten der Globalisierung und des verstärkten Austausches zwischen der jüngeren Generation eher am Verschwinden?

Lenzen: Also im Prozess der Globalisierung besteht natürlich das Risiko, dass die kulturellen Unterschiede, die wertvoll sind, verschwinden, und wir so einer McDonaldisierung unterliegen, die am Ende auch den intellektuellen Bereich und nicht nur die Lebensmittel betrifft. Auf der anderen Seite ist es auch unter Umständen nur eine vorübergehende Erscheinung. Die Begeisterung, die insbesondere junge Menschen für andere Kulturen, für andere Länder haben, mag dazu führen, dass man auf den ersten Blick die Tradition vergißt. In dem Augenblick aber, wo das Leben voranschreitet und wo der Bildungsprozess voranschreitet, wird jeder sehen, dass er ohne diese Tradition Schwierigkeiten hat, sich zu orientieren in diesem einen Leben. Und dann mag die Frage aufkommen, ob es auch so etwas geben kann, wie einen philosophischen Austausch, der vielleicht am Ende zu einem Weltwertesystem führen kann. Weil bei genauerer Betrachtung viele der philosophischen Ansätze, wenn sie wirklich gut sind, eine Gemeinsamkeit haben. Nämlich, die, dass sie mit der Todestatsache umzugehen verstehen, das heißt dass sie das Leben von seinem Ende her denken und nicht von seinem Anfang. Sie geben dem Menschen eine Orientierung, wie er sich in diesem Leben verhalten kann. Entweder so, dass, wie das etwa wie bei der westlichen Religion der Fall ist, eine Sicht auf das Leben danach entsteht oder eben auf zyklische Wiedergeburtsprozesse, die aber auf unterschiedliche Weise mit der Endlichkeit des Lebens umgehen.

CRI: Haben Sie noch etwas zu ergänzen bezüglich des heutigen Alumniumtreffens?

Lenzen: Also ich glaube, dass das Treffen, das wir hier in Peking veranstalten, das kann man jetzt schon aus verschiedenen Gründen sagen, ein Erfolg ist. Zum einen deswegen, weil wir als Universität - und wir repräsentieren heute unser Alumni zum ersten Mal - überhaupt zur Kenntnis nehmen, die normalerweise in eine große Universität kommen und wieder verschwinden. Wir sehen, dass sie eine gute Verbindung zu der Universität in ihren Köpfen haben. Zum anderen ist es so, dass ich beobachte, dass junge Chinesen und auch ältere, die vor vielen Jahren an der Freien Universität studieren haben, jetzt miteinander ins Gespräch kommen und sich erstmals kennen lernen. Das ist besonders interessant, wenn ich daran denke, dass ich gestern beispielsweise an einem Tisch mit Medizinern saß, die sich zum ersten Mal treffen, und überlegen, was sie gemeinsam tun können. Und ich hoffe, dass dies ein gutes Beispiel auch in anderen Bereichen ist.

Gut, das war, liebe Hörer, unser Gespräch mit dem Präsidenten der FU Berlin, Professor Dr. Dieter Lenzen.

Berichtet von: Qiu Jing

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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