Japan ist derzeit aktiv dabei, sich den Auflagen seiner Friedensverfassung zu entziehen und stattdessen sein Militär aktiv auszubauen. Den Vorwand dafür soll eine angebliche „Bedrohung aus China" liefern.
Zu dieser Einschätzung kommen Experten angesichts des am Mittwoch verabschiedeten Entwurfs einer neuen japanischen Sicherheitsstrategie. Mit ihr sollen der japanischen Regierung zufolge „Chinas Versuche zur Veränderung des Status quo mit Gewaltanwendung" im Ost- und im Südchinesischen Meer vereitelt werden, so die japanische Agentur Jiji Press. Sie hatte Auszüge aus dem Entwurf veröffentlicht.
Dazu analysiert Lu Yandong von der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, der Strategie zufolge sei die „Eindämmung Chinas" eine Kernaufgabe des vor einer Woche etablierten neuen japanischen Rats für nationale Sicherheit.
Lu fügte hinzu, damit habe die Abe-Regierung China nun zum strategischen Ziel erklärt. Dabei versuche Japan insbesondere, Nutzen aus dem Streit mit China über die Diaoyu-Inseln und aus der vor kurzem von China eingerichteten Luftüberwachungszone zu ziehen.
Dabei hatte China am Mittwoch erneut den Vorwurf Tokios als unbegründet zurückgewiesen, mit der Einrichtung seiner Luftüberwachungszone im vergangenen Monat habe China den Status quo verändert. Außenministeriumssprecher Hong Lei fügte vor der Presse hinzu, kein anderes Land außer Japan entfessele Provokationen rund um das Ostchinesische Meer.
Der neuen japanischen Sicherheitsstrategie soll die militärische Politik des Landes in den nächsten zehn Jahren darauf gerichtet werden, die Geheimdienst-, Frühwarn- und Überwachungsaktivitäten auszubauen, um Japans Gewässer und Luftraum zu verteidigen.
Auf einer Beratung mit Sicherheitsexperten am Mittwoch bezeichnete Japans Ministerpräsident Shinzo Abe die beiden Vorlagen, die am 17. Dezember vom Kabinett bestätigt werden sollen, als „historische Dokumente für die Ausgestaltung der nationalen Sicherheit des Landes."
Der neuen Strategie zufolge wird Japan auch die bislang verbotenen Waffenexporte des Landes erneut überprüfen. Experten sehen darin den Versuch, die japanische Rüstungsindustrie wettbewerbsfähig zu machen für den Weltmarkt.
Für Shi Yongming vom chinesischen Institut für internationale Beziehungen versucht Japan, China als Vorwand dafür zu nehmen, die juristischen Hindernisse für eine Revision seiner Friedensverfassung zu beseitigen und seine Militärmacht auszubauen.
Dabei werde China als gewaltige Bedrohung und Japan als deren erstes Opfer dargestellt, um die Öffentlichkeit im In- und Ausland zu täuschen, so Shi Yongming.
Nach Einschätzung der französischen Agentur AFP haben die Bemühungen um eine Wiederbelebung der Wirtschaft dem japanischen Premier Abe das nötige politische Kapital für sein langfristiges Ziel gegeben: das japanische Militär aus den Fesseln der Friedensverfassung nach dem Zweiten Weltkrieg zu befreien, durch die es auf reine Verteidigung beschränkt war.
Durch seine harte Linie im Inselstreit und seine rechtsgerichteten Äußerungen setze Shinzo Abe alles daran, die Beschränkungen durch die Verfassung auszuhebeln, resümiert der Politologe Liu Jiangyong von der Tsinghua-Universität.